Eine auf beiden Seiten gerillte, kreisrunde Scheibe mit einem Loch in der Mitte sorgt seit vielen Jahrzehnten für musikalische Glücksmomente: die Vinyl-Schallplatte. «Die Höchstform des Genusses ist beim Musikhören nach dem Live-Erlebnis die Vinyl-Schallplatte. Kein anderer Tonträger schafft es, so viele Emotionen und diese wohlige Wärme zu übermitteln», schwärmt Martin Steinmann, Mitorganisator der Vinylbörse. Gemeinsam mit Bruno Raggi und Peter Meyer organisiert der Schallplatten-Liebhaber die bereits vierte Vinylbörse. Die drei verbindet nicht nur ihre Freundschaft, sondern insbesondere ihre Leidenschaft zur gerillten schwarzen Scheibe. Bruno Raggi und Martin Steinmann zählen über jeweils 800 Schallplatten in ihrer Sammlung. Bei Peter Meyer sind es sogar mehr. Sie treffen sich regelmässig beim Vinylpunkt in der Neustadt. Und genau da entstand die Idee der Vinylbörse: Einer flohmarkt-ähnlichen Veranstaltung in Schaffhausen, die es Begeisterten der Vinyl-Schallplatte ermöglicht, sich untereinander auszutauschen, zu fachsimpeln und dabei das eine oder andere Schnäppchen zu ergattern. «Wir haben die Vinylbörse aus der Taufe gehoben, da wir das Bedürfnis nach einer solchen Plattform förmlich gespürt haben», so Bruno Raggi.
Von der Walze zur Scheibe
Bereits im 16. Jahrhundert machte sich der italienische Physiker Giambattista della Porta Gedanken, wie Töne konserviert werden könnten. Bis sich dann diesbezüglich die ersten Erfolge zeigten, vergingen allerdings weitere 300 Jahre. 1860 gelang es Édouard-Léon Schott de Martinville aus Frankreich, das Kinderlied «Au clair de la lune» auf eine russgeschwärzte Walze zu kratzen. Die Aufnahme konnte zwar gespeichert, aber nicht wiedergegeben werden. 17 Jahre später gelang die Wiedergabe einer Aufnahme einem Maschinenbauer aus dem Appenzell: John Kruesi, ein Partner von Thomas Alva Edison – dem Erfinder des Phonographen. Beim über die Phonographenwalze abgespielten Song handelte es sich mit «Mary Had A Little Lamb» erneut um ein Kinderlied. Weitere zehn Jahre vergingen, bis dem in Hannover geborenen Emil Berliner der Durchbruch in der Tonträger-Welt gelang. Er schaffte es, die Walze durch eine aus Hartgummi bestehende Scheibe zu ersetzen: Die Schallplatte wurde geboren.
Vinyl ist wieder angesagt
Die Vinyl-Schallplatte ist mittlerweile 75 Jahre alt. Gegen Ende der 1950er-Jahre war die Vinyl-Schallplatte nicht mehr wegzudenken und erfreute sich grosser Beliebtheit. Zumindest bis ihr die CD den Rang ablief. Danach wurde es still um die Schallplatte. Erst Anfang der 2000er-Jahre erlangte sie dank der Techno und Hip-Hop-Bewegung wieder Bekanntheit. Seit wenigen Jahren erlebt die schwarze Scheibe ein Revival und begeistert immer mehr Musikliebhaber:innen. Die erhöhte Nachfrage wirkt sich auch auf die Organisation rund um die Vinylbörse aus. Die Organisatoren verzeichnen einen Anstieg der Anmeldungen. «Dieses Jahr sind es so viele, dass wir zusätzlich auch noch die Galerie benötigen», freut sich Bruno Raggi. Auf der Galerie werde es auch eine Vinyl-Lounge geben. «Diese soll den Gästen einen Ort bieten, um sich untereinander austauschen zu können», erklärt Martin Steinmann.
Die Vielseitigkeit eines Covers
Worüber gefachsimpelt wird? Meistens gehe es um die Verpackung der Platte: also um das Cover. «Inhaltlich gibt es keine Unterschiede, die Musik ist die gleiche. Aber ein Cover einer Erstausgabe aus Japan kann sich von der amerikanischen Erstausgabe stark unterscheiden», erklärt Martin Steinmann. Richtige Fans seien immer auf der Suche nach weiteren Versionen ihrer liebsten Platten, obschon sie diese per se bereits in mehrfacher Ausführung in ihrer Sammlung besitzen. Zu den länder- und kulturspezifischen Unterschieden der Cover können zudem beispielsweise noch Spezialausgaben und Neupressungen hinzukommen. «Es finden sich Platten, die in über 800 Versionen erhältlich sind», berichtet Bruno Raggi.
Die Magie des analogen Klangs ziehe insbesondere die Altersgruppe über 50 Jahre an. An den vergangenen Vinylbörsen seien aber auch jüngere Gäste beim Stöbern und Fachsimpeln entdeckt worden. Fernab der digitalen Massenware sollen Sammler:innen, Familien und Fans gleichermassen auf ihre Kosten kommen. Ob beim Suchen und Finden neuer Platten oder beim Austausch auf der Lounge in der oberen Etage.