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Gesellschaft
07.11.2023

Pflege daheim entlöhnen

Teuta Pajaziti (l.) ist in einem 87-Prozent-Pensum bei der AsFam angestellt. Den engen Austausch mit der fallführenden diplomierten Pflegefachfrau Nadja Felix schätzt sie besonders.
Teuta Pajaziti (l.) ist in einem 87-Prozent-Pensum bei der AsFam angestellt. Den engen Austausch mit der fallführenden diplomierten Pflegefachfrau Nadja Felix schätzt sie besonders. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
Wer zuhause Angehörige pflegt, erhält jetzt einen Lohn. Dies dank AsFam. Seit Juli gibt es im Kanton Schaffhausen eine eigenständige AsFam-Organisation, welche pflegende Angehörige entlöhnt und ihnen professionelle Unterstützung anbietet.

Mittwochnachmittag in der Stahlgiesserei in Schaffhausen: Nadja Felix bereitet sich gerade auf den Hausbesuch bei Teuta Pajaziti vor – eine der pflegenden Angehörigen, welche die diplomierte Pflegefachfrau als Fallführerin bei der AsFam betreut. Teuta Pajaziti kümmert sich zuhause um ihren 16-jährigen Sohn Dion, der eine schwere Beeinträchtigung hat und auf Pflege und Betreuung rund um die Uhr angewiesen ist. Nebenher zu arbeiten, ist für die dreifache Familienmutter kaum möglich. «Lange Zeit habe ich versucht, in den Stunden, welche Dion in der Schule war, in meinem eigenen Studio zu arbeiten», so die gelernte Kosmetikerin. Dort habe ihr eine Kundin von der AsFam erzählt, bei welcher sie seit 2021 in einem 87-Prozent-Pensum angestellt ist. «Ich konnte am Anfang nicht glauben, dass ich plötzlich Geld bekommen sollte für etwas, dass ich schon immer mache», erzählt sie. Mittlerweile ist sie überzeugt von dem Konzept: «Es ist eine grosse Wertschätzung für uns pflegende Angehörige, für unseren täglichen Einsatz bezahlt zu werden.» 

Pflegende Angehörige als Angestellte

Das Modell der AsFam ist einfach: Die Organisation bietet pflegenden Angehörigen eine Anstellung und entlöhnt sie für ihre tägliche Pflegearbeit. «Der Stundenlohn beträgt 34,30 Franken», führt Nadja Felix aus. «Zu Beginn einer Zusammenarbeit vereinbaren wir einen Kennenlernbesuch mit den Angehörigen, um eine Verordnung mit allen Leistungen zu erstellen», erklärt die diplomierte Pflegefachfrau. «Diese besprechen wir mit der Familie und senden sie an den Hausarzt zur Unterschrift, bevor wir alles bei der Krankenkasse und der Wohngemeinde einreichen». Dabei übernimmt die AsFam die gesamte Administration.

Der wohl grösste Vorteil des Angestelltenverhältnisses: Die AsFam bietet einen guten Sozialrahmen an, so ist unter anderem jede:r Angestellte bei der Pensionskasse versichert. «Wenn jemand bis anhin 30 Jahre lang zuhause das Kind pflegte, wurde in dieser Zeit nicht in die AHV oder PK eingezahlt – dies hat die AsFam geändert.» Bekanntlich bringen gerade Kinder mit Beeinträchtigung oftmals hohe finanzielle Aufwendungen mit sich, da sie oft spezielle Therapien benötigen, welche jetzt durch den Lohn der AsFam ermöglicht werden.

Grundpflege vergüten lassen

Die Bedingung für eine Anstellung bei der AsFam ist, dass es sich um Grundpflegeleistungen handelt. «Dazu gehören die Körperpflege oder die Unterstützung beim Aufstehen, Lagern oder Toilettengang», erklärt Nadja Felix. «Reine Betreuungszeit zahlt die Krankenkasse nicht.» Die Pflegeplanung sowie das Assessment erstellt die zuständige Fachperson der AsFam gemeinsam mit den Familien und überprüft dies regelmässig. 

Eine Anstellung bei der AsFam bringt dementsprechend auch Pflichten mit sich. Unter anderem gilt es, einen Pflegehelferkurs, welcher vollständig durch die AsFam bezahlt wird, zu absolvieren. «Es gehört ausserdem dazu, einen täglichen Verlaufsbericht zu schreiben, die gesamte Pflege zu dokumentieren und Veränderungen oder Arztbesuche zu notieren.» Einmal im Monat besucht Nadja Felix ihre Angestellten zuhause, alle zwei Wochen haben sie telefonisch Kontakt. «Wenn nötig oder gewünscht, gehe ich auch häufiger vorbei», so die 28-Jährige. Nicht für alle sei es einfach, sich von einer aussenstehenden Person Hilfe zu holen. «Man macht sich verletzlich, wenn plötzlich jemand bei der Pflege dabei ist», sagt Nadja Felix. Teuta Pajaziti sieht dies als grossen Vorteil: «Es tut gut zu wissen, dass jemand da ist, wenn man Fragen hat – das gibt viel Sicherheit.». Mit einigen Familien telefoniert Nadja Felix täglich, andere sieht sie nur zu den monatlichen Gesprächen. «Das ist wohl der grösste Unterschied zu meiner vorherigen Arbeit im Spital – wir haben Zeit für unsere pflegenden Angehörigen», so Nadja Felix, die zuvor 11,5 Jahre lang im Kantonsspital tätig war.

Menschen im Mittelpunkt

Im Kanton Schaffhausen sind es 39 Familien, die derzeit von der AsFam angestellt sind. «Mein jüngstes Kind ist vier Jahre alt, der älteste Herr ist 94», so Nadja Felix. Zu den meisten bestehe ein sehr enges Verhältnis – so auch zu Teuta Pajaziti, welche die Pflegefachfrau nach einem ausführlichen Gespräch über Sohn Dion zum Abschied herzlich umarmt. «Ich schätze es, dass ich über alltägliche Themen mit den Familien sprechen kann», sagt Nadja Felix.

«Bei den meisten ist zu Beginn Skepsis dabei, wenn sie von der AsFam hören», so Nadja Felix. Diese Skepsis gilt es, zu überwinden: Pflegende Angehörige können sich bei der AsFam informieren. Ganz nach dem Credo der Organisation: «All unsere Interessen und unser Tun drehen sich um die ‹Pflegenden Angehörigen›. Diese stehen im Mittelpunkt.»

Lara Gansser, Schaffhausen24