Ein Märchen, präsentiert von Nele Diercks mit Hilfe ihres Sprachcomputers. Die leidenschaftliche Vorleserin eröffnete am Donnerstag, 21. September, das diesjährige Programm des «Un-Symposiums» der Kulturinitiative Märchen im Leben unter dem Motto «Von Heimat und Fremde». Organisiert wurde dieses Event von Armin Ziesemer, der diese Initiative 2018 nach seiner Ausbildung zum zertifizierten Erzähler gründete. Nele Diercks ist 1990 geboren und erlitt während der Geburt ein schweres Schicksal. Eine ungenügende Luftzufuhr führte zur Beschädigung des Bereichs im Gehirn, der für die Bewegung zuständig ist. Arme und Beine lassen sich nicht mehr richtig steuern und das Sprechen gehört für sie zum Unmöglichen. Trotzdem bewältigt die lebensfrohe Erzählerin jeden Tag aufs Neue zusammen mit ihren Assistenten ihren Tag. Mit der Hilfe eines Computers, den Nele Diercks mit ihren Augen steuert, bereitet sie Bilderbücher so vor, dass sie sie anschliessend vortragen kann, in der Regel für Kinder in ihrer Heimat Freiburg.
Die grosse Wörterfabrik
Für das Programm «Von Heimat und Fremde» reiste sie nach Schaffhausen in das Lokal ÄNET am RHY. Die Organisation Glücksmomente half dabei, dieses Event zu ermöglichen. Nachdem das Publikum mehr über ihre beeindruckende Lebensgeschichte erfuhr, erzählte die inspirierende Narratorin das bewegende Märchen «Die grosse Wörterfabrik». Die kurze Geschichte handelt von einer Welt, in der die Bewohnerinnen und Bewohner Wörter kaufen müssen, denn diese gelten vor allem für arme Menschen als Mangelware. Diese Geschichte veranschaulicht, wie ausdrucksstark auch wenige Worte sein können und zeigt damit auch eine Parallele zu Nele Diercks auf, die ebenfalls mit einem beschränkten Wortschatz lebt, aber das Publikum trotzdem auf ihre Art und Weise begeistert. Ihre Erzählung begleitete ihr Assistent, Lars Tiedemann, mit einem sogenannten Kamishibai: Eine hölzerne Box, in welcher Bilder zur Geschichte gezeigt und ausgewechselt werden können.
Aus der Nische locken
Doch Nele Diercks trat nicht als einzige am Event vom Alleinveranstalter Armin Ziesemer auf. Das Programm begeisterte die Märchenfans bis zum 24. September jeden Tag mit neuen Künstler:innen. «Mit meinem abwechslungsreichen Programm möchte ich das Thema Märchen aus der Nische für Kinder herauslocken und auch das erwachsene Publikum an dieser Welt teilnehmen lassen», so Armin Ziesemer. «Die Kraft von einem kurzen Märchen ist gewaltig und fasziniert mich. Es kreiert berührende Momente.» Ebenfalls am Donnerstag, 21. September, performte Simon Weiland auf der Bühne. Am 22. September, berichtete Dr. Nora Engelbert aus den Traumerzählungen der Aborigines und später erzählten Sarah Bally, Claudia Rohrhirs, Wolfgang Meyer, Stephanie Schachtner und Jürg Rindlisbacher je ein Märchen für Erwachsene. Am darauffolgenden Tag, 23. September, beleuchtete Armin Ziesemer zusammen mit Thomas Böhlefeld das beste Märchen für Erwachsene des vergangenen Tages. Nachher führte Soogi Kang das Publikum in die Ferne nach Korea. Am letzten Tag der Veranstaltung, am 24. September, wurde es mit Sr. Ingrid Grave, Mohamed Badawi, Torsten Hermentin und den drei zertifizierten Erzählerinnen Yvette Padovan, Pascale Hoffmann und Hanni Golling spirituell. Den Schluss übernahm Armin Ziesemer, der auf die vier Tage zurückblickte, zusammen mit den letzten Märchenerzähler:innen Manuela Baumann und Charles Garaventa.