Die notwendige Motivation haben
In der zweiten Oberstufe beginnt es mit der Berufswahlkunde an den Schulen. Was sind die Hauptgründe, weshalb Jugendliche keine Lehrstelle finden? Liegt es an der fehlenden Motivation, den schlechten Noten oder daran, dass die Auswahlmöglichkeiten viel zu gross sind? «Die Berufsfindung ist eine riesige Herausforderung geworden», so Patrik Ammann und führt aus: «Wichtig ist zu wissen, was das Ziel ist – denn sonst kommt man nicht an.» Zudem seien die Eltern ein bedeutsamer Faktor. «Es macht enorm viel aus, wie viel Unterstützung von zuhause kommt», spricht Patrik Ammann ein heikles Thema an. «Manche Eltern haben Schwierigkeiten mit der Sprache, kennen das Bildungssystem nicht oder sind selbst überfordert damit.»
Doch gleichzeitig liegt Verantwortung bei den Jugendlichen selbst: «Mit 14 Jahren sind einige einfach noch kindlich und der notwendige Reifegrad fehlt. Sie nehmen es zu lange nicht ernst und sind dann schlussendlich zu spät dran.» Denn eines sei enorm wichtig: die Überzeugung. «Die Lehrmeister merken bei einem Vorstellungsgespräch genau, ob jemand will oder nicht sicher ist.»
Der Umgang mit Niederlagen
Die Faktoren, mit welchen die Jugendlichen bei der Lehrstellensuche zu kämpfen haben, sind vielfältig. «Eine Ebene ist die Schulklasse, angeführt von der Lehrperson, welche die Hauptrichtung vorgibt.» Es gebe Klassen, welche es feiern und Rituale haben, wenn ein Schüler oder eine Schülerin eine Lehrstelle findet. «In diesen Klassen ist es sichtbar, wer eine Lehrstelle hat und wer nicht. Das kann bei denen, die noch nichts gefunden haben, negative Gefühle auslösen wie ‹Ich bin nicht erwünscht›.» An diesem Punkt setzt Patrik Ammann bei seinen Coachings an: «Je nachdem wie psychisch stabil jemand ist, variiert der Umgang mit Niederlagen. Die einen sind umso motivierter, andere stecken komplett den Kopf in den Sand. Ich unterstütze sie dabei, ein Steh-auf-Männchen oder Steh-auf-Frauchen zu werden.» Ein weiterer Faktor, der für einige frustrierend ist: Die guten Lehrstellen bei den renommierten Firmen sind jeweils früh weg. «Jedoch ist es nicht selten, dass Jugendliche erst in den Sommerferien einen Lehrvertrag unterschreiben.»
In den Coachings fokussiert der Schulsozialarbeiter auf motivationale Themen. «Mir ist immer wieder wichtig zu zeigen, dass jeder Mensch Talente hat und etwas gut kann. Vielleicht hat man sein Talent einfach noch nicht gefunden.»
Auffangnetz Ready4Business
«Alle Jugendlichen, die wirklich wollen, finden in der Stadt Schaffhausen eine Anschlusslösung», ist sich Patrik Ammann sicher. Der Lehrstellenmarkt sei aktuell sehr gut gefüllt – da habe es vor zehn Jahren ganz anders ausgesehen. «Es gab eine Phase, da war man froh, einfach irgendeine Lehrstelle zu haben – egal was.»
Und im Stich gelassen wird niemand: Wenn ein Schüler oder eine Schülerin während der Abschlussklasse keine Anschlusslösung hat, gibt es in Schaffhausen ein grosses Auffangnetz, bestehend aus Lehrpersonen, Schulsozialarbeitern und dem Case Management. Das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) ist Teil- oder Vollzeit möglich – für dieses 10. Schuljahr benötigen die Jugendlichen eine Empfehlung der Lehrperson. Eine Alternative ist das Brückenangebot Lindenforum, das jedoch kostenpflichtig ist. «Und die Jugendlichen, welche wir hier nicht auffangen können, weisen wir aufs Case Management Berufsbildung hin», so Patrik Ammann. Dieses beginnt in der Schulzeit und richtet sich an junge Menschen, die mit vielfältigen Schwierigkeiten gefordert sind und vor oder während der beruflichen Ausbildung Unterstützung benötigen. «Wer nach den Sommerferien noch keine Anschlusslösung hat, muss sich unbedingt beim RAV anmelden und kann so ins Ready4Business einsteigen», führt Patrik Ammann aus. Dort werden die Jugendlichen gezielt gefördert und im Bewerbungsprozess individuell durch einen Jobcoach unterstützt und begleitet.
Präventiv angehen
Um Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen möglichst frühzeitig aufzufangen, hat Patrik Ammann gemeinsam mit der Lehrerin Conny Heinzelmann die Leitung des Jugendprojekts «LIFT» an der Realschule Alpenblick übernommen. Dabei handelt es sich um ein schweizweites Integrations- und Präventionsprogramm, das bereit in der ersten Oberstufe ansetzt. «Es geht darum, frühzeitig zu erkennen, welche Jugendlichen einen besonderen Förderbedarf haben, damit sie eine Lehrstelle finden», so Patrik Ammann über das Pilotprojekt. «Im zweiten Oberstufen-Jahr arbeiten die Jugendlichen jeweils am Mittwochnachmittag – so merken sie, was es in der Arbeitswelt wirklich braucht.» Das Jugendprojekt LIFT hat mit vier Schulen gestartet – mittlerweile setzen es über 400 Schulen in der Schweiz um. «Das Hauptziel ist, dass die Zahl an Schulabgängern ohne Anschlusslösung sinkt», so Patrik Ammann über die Hintergründe.