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Gast-Kommentar
Kultur
29.08.2023

Von Hängematten und Hitzköpfen

Jens Lampater schreibt in regelmässigen Abständen eine Kultur-Kolumne im «Bock»
Jens Lampater schreibt in regelmässigen Abständen eine Kultur-Kolumne im «Bock» Bild: Marcel Tresch, Schaffhausen24
Jens Lampater schreibt über Strategien, mit der Hitze umzugehen.

Kaum waren die Sommerferien vorbei, wurde es ja nochmal richtig heiss. Waren Sie letzte Woche auch etwas enttäuscht darüber, dass Sie den Grossteil Ihrer wohlverdienten Sommerferien in der Windjacke verbringen mussten, nur um sich dann zwei Wochen später, als der Hochsommer zurückkam, in der stickigen Luft Ihres Arbeitsplatzes wiederzufinden? 

Sich über dieses suboptimale Timing zu ärgern, führt natürlich nicht weiter – man braucht Strategien, um mit der Hitze umzugehen, wenn man nicht den Luxus eines klimatisierten Arbeitsplatzes oder eines kühlen Zuhauses sein Eigen nennen darf. Nachts lüften, tags die Fenster zu, viel trinken und so weiter – das sind die uns allen bekannten Mittel mit bekanntermassen mässiger Wirkung. 

Wirklich wirksam angesichts der unausweichlichen Hitze ist meines Erachtens eher die eigene Einstellung, die man mit Hilfe psychologischer Tricks recht effektiv beeinflussen kann. Etwa indem man sich Literatur sucht, in der geschildert wird, wie es andernorts viel schlimmer und geradezu unerträglich ist. So habe ich letzte Woche mal wieder Max Frischs «Homo Faber» hervorgeholt, nur um mich anhand der Schilderungen von Fabers Aufenthalt im Dschungel von Mexiko zu vergewissern, dass es hier doch alles in allem recht erträglich ist. («Wir hingen in Hängematten, allzeit ein Bier in greifbarer Nähe, schwitzend, als wäre Schwitzen unser Lebenszweck, unfähig zu irgendeinem Entschluss. – Wir hingen in unseren Hängematten und tranken, um weiter schwitzen zu können, und ich wusste nicht, was wir eigentlich wollten».) 

Wirkt die Hitze in «Homo Faber» lähmend, wird sie in Theaterstücken gerne als Mittel verwendet, um Figuren ins Extreme zu treiben – Hitzköpfe sind schliesslich dramatischer als Hängematten. Das Südstaaten-Drama «Die Katze auf dem heissen Blechdach» von Tennessee Williams etwa trägt die Hitze im Titel, und in August Strindbergs «Fräulein Julie» lassen sich zwei Menschen in der schwülen Stimmung der schwedischen Mittsommernacht zu einer «Amour fou» hinreissen, die beim kühlen Licht des nächsten Tages betrachtet chancenlos ist. 

«Fräulein Julie» können Sie übrigens in der kommenden Saison bei uns im Theater sehen – am 27. Februar in einer fantastischen Inszenierung des Berliner Renaissance-Theaters. Ich verspreche Ihnen: Bis dahin werden Sie den Sommer vermissen!

Schaffhausen24