«Bock»: Dadurch, dass Sie in eine musikalische Familie hineingeboren wurden, kamen Sie mit der Musik früh in Berührung.
Sebastian Krumbiegel: Unser Haus war voller Musik. Mein Bruder lernte Violine, meine Schwester Flöte und ich Cello. Meine Mutter spielte Klavier und wir sangen alle regelmässig dazu. Es war sozusagen die klassische «bildungsbürgerliche Familie» mit Hausmusik und allem, was dazu gehört, was dann dazu führte, dass mein Bruder und ich ab der 4. Klasse anfingen, im Thomanerchor zu singen.
Sie gründeten 1981 Ihre erste Rockband «Phoenix». Später schlossen Sie sich der Band «Rockpol» an. Wie schwierig waren die Anfänge damals in der DDR?
Krumbiegel: Es war nicht kompliziert, eine Band zu gründen – ganz im Gegenteil. Es gab Strukturen mit Jugendclubs. In Leipzig gab es sogar eine «IG Rock». Wenn ich die 1980er Jahre aus meiner Sicht beschreiben will, dann ist das natürlich erstens sehr subjektiv und zweitens muss ich immer ein bisschen aufpassen, dass ich mir auf der einen Seite die Sachen nicht schönrede. Auf der anderen aber eben auch, dass ich nicht in den Chor einstimme, der immer wieder sagt: Alles in der DDR war trist und grau und gruselig. Es geht mir garantiert nicht darum, die DDR als Willkürstaat in ein gutes Licht zu rücken, aber ich kann wirklich ehrlichen Herzens sagen, dass ich eine schöne und erfüllte Kindheit hatte. Man hat sich eingerichtet und sich seine Nischen gesucht – eben unter anderem die Musik, und die ist sowieso die schönste Erfindung auf der ganzen Welt…
Verhalf der Fall der Mauer auch der weiteren Karriere?
Krumbiegel: Natürlich! Ganz abgesehen davon, dass wir – gerade wir in Leipzig - das gute Gefühl hatten, mit den Montags-Demonstrationen ein System gestürzt zu haben, hatten wir von heute auf morgen plötzlich ganz andere Möglichkeiten. Es war allerdings auch so, dass das erste Jahr sehr hart war, was die musikalische Karriere anbetrifft. Erstmal hat sich kein Ossi mehr für die Musik vor seiner Haustür interessiert. Es gab so viel zu entdecken, und auf einmal spielten eben Udo Lindenberg oder Rio Reiser im Osten. Da waren die einheimischen Bands erstmal abgeschrieben, und einige sind damals daran zerbrochen. Wir hatten damals jede Menge Glück. Wir waren zwar auch wirklich extrem umtriebig, hatten jedem, ob er wollte oder nicht, unsere Demo-Kassette mit unseren Songs aufgedrängt und dadurch Leute getroffen, die uns sehr halfen. Vor allem Annette Humpe war da ein wichtiger Mensch.
Vom Rocker zum A-Capella-Pop – wie kam dieser Wandel?
Krumbiegel: Unser damaliger Manager Achim Zetzmann riet uns, auf die Instrumente zu verzichten. Er sagte damals, dass es viele Rockbands gebe und dass unser A-Cappella-Gesang ein Alleinstellungsmerkmal darstelle. So gerieten wir in den Fokus von Westberliner Verlegern und Musikindustrie-Leuten, allen voran George Glueck, Peter Meisel und Hans Blume. George war unter anderem der Manager von Annette Humpe, und so kam dann eines zum anderen.
«Die Prinzen» wurden schnell erfolgreich und gehören nun zu den populärsten Bands Deutschlands. Was war aus Ihrer Sicht ausschlaggebend für den Erfolg?
Krumbiegel: (grinst) Ich glaube, das lag ausschliesslich an unserer überdurchschnittlichen Schönheit, unserer überbordenden Intelligenz und daran, dass wir so gut gerochen haben!
1996 erhielt das Album «Alles mit’m Mund» nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit wie die vier Alben zuvor. Woran lag das?
Krumbiegel: Das ist immer sehr schwierig zu analysieren. Aber ich denke schon, dass die Beendigung der Zusammenarbeit mit Annette Humpe eine grosse Rolle spielte. Sie hatte das Gefühl, dass nach vier gemeinsamen sehr erfolgreichen Alben die Geschichte erzählt war, und wollte etwas Neues machen. Irgendwann musst du mal die Erfahrung machen, dass du nicht permanent ganz oben mitspielen kannst, und das ist auch ganz heilsam fürs Ego. Wir sind aber nach mittlerweile weit mehr als 30 Jahren immer noch dabei und sind gerade auf einer sehr erfolgreichen Tour. Wir spielen übrigens am 10. November im Volkshaus in Zürich, welches so gut wie ausverkauft ist.
Gibt es einen Lieblingssong aus dem Repertoire der Prinzen?
Krumbiegel: Da gibt es ganz viele. Natürlich sind die Hits, die du selbst geschrieben hast, wichtige Songs. Diese Lieder scheinen eine Art Zeitlosigkeit zu haben, und sowas kannst du nicht planen. «Ich wär’ so gerne Millionär» oder «Mein Fahrrad» – es ist schon ein gutes Gefühl, wenn mir heute Eltern Videos ihrer fünfjährigen Kids schicken, die unsere Songs voller Inbrunst singen. Mein Lieblingslied auf dem Album «Krone der Schöpfung» ist «Immer auf mich zähl’n». Auf Tour singe ich den gerade jeden Abend alleine am Flügel –da bekomme selbst ich immer Gänsehaut.
Später folgten erste Soloproduktionen. Was hat sich im Gegensatz zur Prinzen-Karriere verändert?
Krumbiegel: Wenn ich alleine auf eine Bühne gehe, kann ich voll meinen Ego-Film fahren, und ich muss keine Kompromisse eingehen. Als Band sind wir ein demokratischer Haufen – das ist manchmal sehr anstrengend. Gerade in der Kunst muss man höllisch aufpassen, dass das, was durch Kompromisse entsteht, nicht der kleinste gemeinsame Nenner ist, auf den man dann kommt. Solo trete ich eher in kleinen Theatern oder Clubs auf. Dort ist dann die Atmosphäre oft sehr intim. Ich kann viel spontaner sein und viel freier im Ablauf. Ich kann mich treiben lassen und dadurch mit dem Publikum in einen viel engeren Kontakt treten – das geniesse ich sehr.