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Gast-Kommentar
Kultur
23.08.2023

Vom Radio an den Rheinfall

Diana Feuerbach liest am 9. September auf dem Literaturboot im Rheinfall anlässlich des Rheinfallfestivals.
Diana Feuerbach liest am 9. September auf dem Literaturboot im Rheinfall anlässlich des Rheinfallfestivals. Bild: zVg. / Dorothee Wanzek
Die heutige Kolumne ist von Diana Feuerbach, die anlässlich des Rheinfallfestivals auf dem Literaturboot liest.

Als Kind hatte ich viele Sehnsuchtsorte. Die meisten davon lagen im Ausland. Ich wohnte in der DDR, da waren Auslandsreisen kaum vorgesehen und wenn, dann nur Richtung Osten. Dass der Rheinfall existiert, ahnte ich nicht. Der Ländername «Schweiz» klang mir märchenhaft, sehr weit weg. Dort gab es wohl schneebedeckte Berge, gute Schokolade und ein Mädchen namens Heidi ‒ so viel immerhin hatte sich herumgesprochen bis nach Karl-Marx-Stadt in Sachsen.

Näher als die Schweiz lag für mich Bayern. Aus einem einfachen Grund: Wir konnten den Bayerischen Rundfunk empfangen. Bei uns hiess das «Westradio hören». Westradio hören zählte nachmittags nach der Schule zu meinen liebsten Beschäftigungen. Ich hörte immer Bayern 3. Das kam live aus München, einer für mich sagenumwobenen Stadt jenseits der Grenze. Thomas Gottschalk moderierte ab 15 Uhr, er wurde um 16 Uhr abgelöst von Günther Jauch, und ich war dabei an meinem kleinen Gerät im Kinderzimmer hinter der Mauer.

Über jene Zeit, über das kindliche Lebensgefühl und die Liebe zum Radio habe ich eine Geschichte geschrieben, die ich am 9. September im Literaturboot am Rheinfall vorlesen werde. «Susi pfeift wie Bayern 3» ist ein Geschenk an das Schaffhauser Publikum, klar, aber auch an meine verehrte Kollegin Ursula Haas, die sich das Boot mit mir und den Gästen teilen wird. Ursula lebt in München. Die Achtzigerjahre waren eine Glanzzeit für sie. Sie fuhr über die Strassen und Autobahnen, die im Verkehrsfunk von Bayern 3 wegen Staus, Unfällen und verirrten Reisenden Erwähnung fanden, sie kaufte ein im «Bettenrid» und anderen exquisiten Geschäften, die man in den Werbeblöcken anpries. Sie war eine Dichterin der Schwabinger Bohème, während ich kommunistische Kampflieder auswendig lernte. Ob sie auch so gern Radio hörte wie ich?

Ursula ist ein Profi auf dem Literaturboot; sie hat an allen bisherigen Rheinfall-Festivals teilgenommen. Für mich wird es eine Premiere. Auf dem Boot wollen wir ins Gespräch kommen über das Aufwachsen in Ost und West ‒ und über eine Gemeinsamkeit: Unsere beiden Familien wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus der jeweiligen Heimat vertrieben. Ursula hat Wurzeln im heutigen Tschechien, ich in Ungarn. Reichlich Gesprächsstoff für eine Fahrt auf dem Rhein!

 

rheinfallfestival.com

Schaffhausen24