Hallau, Samstagnachmittag, kurz vor vier. Nichts deutete darauf hin, dass mitten im Herzen des Klettgaus sogleich ein grosser Moment stattfinden würde, dort beim massiven gelb-rot gemauerten Gebäude. Dieses ruft für einen Moment das Cover der Led Zeppelin-Platte «Physical Graffiti» in Erinnerung; jenes Haus am St. Mark’s Place in Manhattan, New York City. Eigentlich prädestiniert für ein Klettgauer Kulturzentrum, klagen doch einige Anwohnende, dass es im Dorf etwas gar ruhig sei. Sogar die Gemeinde erwähnt in ihrem Leitfaden, dass «Anreize für Erneuerungen wünschenswert» seien. Strahlkraft hat diese Örtlichkeit alleweil – und warum sich nicht ausser als Hauptort des Blauburgunderlands auch als kulturelle Hochburg etablieren? An Kulturpotenzial ist in der nahen Umgebung einiges vorhanden, wie sich beim Besuch schnell herausstellte.
Cartoonladen schliesst
Im linken Teil des Hallauer «Led Zeppelin»-Gebäudes befindet sich seit 2017 das Atelier «Catsline Cartoons», welches der Illustrator und Cartoonist Hanspeter Ehrat in Eigenregie mit seiner Frau Silvia an seiner Seite führte. Doch im Juni 2022 verstarb der exklusive Künstler, der durch seine Katzenillustrationen sehr an Popularität gewonnen hatte, 76-jährig. «Schweren Herzens werde ich nun per Ende September das Atelier schliessen», erzählte die Witwe mit bewegter Stimme, kämpft sie doch noch mit dem Verlust ihres geliebten Mannes.
Artfacts vereint Kultur
Noch war es ruhig beim Atelier nebenan. Marcella artfacts ist eine Plattform für Kulturschaffende aus dem Bereich Kunst und Fotografie und bietet nebst eigenen Ausstellungen auch Platz, um Werke von weiteren Künstler:innen aus dem Klettgau zu präsentieren. Neben Silvia Ehrat genoss auch Inhaberin Gabriela Buff vor dem Eingang sitzend die Ruhe vor dem Sturm, während ihr Partner Marc Roy im Flurgang den Apéro vorbereitete. Im Nebenraum schwärmte eine männliche Stimme über die zeitlose Fotografieserie in Schwarzweiss, die im Zeitraum der letzten 30 Jahre am Hafen von Riccione, in der italienischen Provinz Rimini, entstand. «Gente di mare» heisst diese Serie. Die Stimme gehörte dem Hauptprotagonisten an diesem Tag, Johannes Eules, der gerade mit einer Journalistin tief in der Materie fachsimpelte und voller Elan über die Entstehung seiner Fotografien erzählte.
Seit 13 Jahren in Hallau
Johannes Eules ist kein Unbekannter. Nicht nur in der Region kennt man ihn als Werbefotograf, sondern er wird auch international von Agenturen gebucht. Zudem unterrichtet er Fotografie an verschiedenen Hochschulen. «Vor 13 Jahren bin ich von Freiburg im Breisgau nach Hallau gekommen», erzählt Joschi, wie er freundschaftlich genannt wird. Integriert hat er sich schon längst, darf er doch bereits zum achten Mal eine Ausstellung im Artfacts eröffnen, wie er im Gespräch verriet.
Meetingpoint für Kunstfans
Nach einem ersten Augenschein der Fotografien war das schmucke Atelier plötzlich gefüllt. Auch wenn der eingeladene Gemeinderat der Vernissage gänzlich fernblieb, folgten dafür alle anderen dem kulturellen Lockruf: Von der berühmten Hunde-Ursula bis zur FCS-Legende Hans «Jacky» Berger, der sich gerade vom Titelbild der Ausstellung «Uncomfortable» inspirieren liess. Die Fotografie zeigt einen Tisch, in den augenscheinlich ein Stuhl eingepflanzt ist. «Ich bin fasziniert», staunte er. In «uncomfortable» komme das Wort «table» vor, erklärte Johannes Eules und illustriert mit dieser handwerklich inszenierten Fotografie das Gefühl ausserhalb der Komfortzone. «Aber gleichwohl betone ich immer wieder, dass ich mich an sich nicht zu ernst nehme», wirft der gastgebende Künstler ein. Auch die Musikerin sonix liess sich gemeinsam mit ihrer Mutter die Vernissage nicht entgehen und blickte gebannt auf «memento mori II». «Ich fühle mich in den Bann gezogen», gab sich die lyrische Liedermacherin beeindruckt. Sie wird übrigens im Rahmen der Museumsnacht am 16. September das mit Gabriela Buff kreierte Buch «BILD SPRACHE» im Artfacts präsentieren und diese Vernissage zudem mit Marco Clerc und Babak Nemati musikalisch ergänzen.
Zeitlosigkeit und Wagemut
Inzwischen hielt Gabriela Buff eine Laudatio über Johannes Eules und eröffnete mit der Ansprache die Vernissage. Mit «Gente di mare» und den gefälligen Bildern verweile man schnell in der Zeitlosigkeit, während aber auch etwas Wagemut eingebracht werde, wie bei der Serie mit dem «Heiligen Stuhl». Auch werde die Fantasie angeregt, wie die Auszüge der Serien «Rubber Girl» und «Hidden Nude» das zuliessen.
Ausstellung bis 9. September
Marcella artfacts ist jeweils freitags bis sonntags geöffnet, um die Fotografieausstellung Johannes Eules’ zu zeigen, ehe am 9. September die Finissage gefeiert wird.