Die Nächte in Schaffhausen waren für unsere Vorfahren nicht vergleichbar mit dem, was wir heutzutage erleben: Kein Mensch auf der Gasse, geschweige denn ein Nachtleben, kein Verkehr und erst recht keine Strassenbeleuchtung. Schaffhausen war stockdunkel. Nur die Laternen der Nachtwächter erhellten die Gassen. In der Regel sorgten einst vier bis zwölf Männer Nacht für Nacht für den Schutz der Bevölkerung. Ihre erste Pflicht war, sicherzustellen, dass nirgends ein Feuer ausbrach. Sie mussten aber auch verdächtig wirkende Personen, die ohne Laterne unterwegs waren, festnehmen. Schliesslich konnte man nie wissen, ob diese im Schatten der Dunkelheit auf Raub und Totschlag aus waren. Die letzten Nachtwächter Schaffhausens quittierten 1893 ihren Dienst. Turmwächter blieben aber noch bis 1922 im Amt.
Monatliche Führungen
Vor 25 Jahren haben Thomas und Martin Harzenmoser das Nachtwächterwesen wieder aufleben lassen – aber auf ihre Art. Damals wurden in Schaffhausen Stadtrundgänge nur «konventionell» betrieben. Die Gebrüder Harzenmoser kreierten einen eigenen Stil und vermittelten die Stadtgeschichte durch eine Art «szenisches Gassengaukelspiel». Mit grossem Erfolg. Kein Wunder, dass dies Kreise zog: Thomas Harzenmoser geht nun hauptsächlich in Stein am Rhein als Nachtwächter um, während Martin Harzenmoser gelegentlich auch in Diessenhofen und Zürich auf Rundgängen zu sehen ist. Sein Hauptbetätigungsfeld ist aber nach wie vor Schaffhausen, wo er, sein Bruder Thomas und gelegentlich auch sein Kollege Felix Derksen einmal im Monat bei einer öffentlichen Nachtwächterführung zu sehen sind.
Seit drei Jahren selbständig
Die öffentlichen Führungen werden traditionell von Schaffhauserland Tourismus organisiert. Dort waren die Gebrüder Harzenmoser bis vor drei Jahren unter Vertrag, entschlossen sich dann aber, das Buchungssystem selber in die Hand zu nehmen. «Im Laufe der Zeit sind zur Nachtwächterführung unter anderem noch eine Landsknechtführung, eine Weinführung, ein Rundgang durch das Barocke Schaffhausen sowie eine kulinarische Führung dazukommen», erklärt Martin Harzenmoser. «Um den Überblick zu behalten, entschlossen wir uns, alle insgesamt 15 Führungsangebote auf unserer Homepage nachtwaechterzunft.ch aufzuschalten.»
Sex & Crime
Um als Nachtwächter glaubhaft zu wirken, braucht es viele Skills. Zum Beispiel viel Knowhow. Martin Harzenmoser, der Geschichte studiert hat, ist ohnehin einer, der historischen Momenten regelrecht Leben einhauchen kann. Und er kann auf einen unfassbar grossen Schatz an Wissen zurückgreifen. «Ich befasse mich regelmässig mit der Stadtgeschichte, recherchiere, schreibe Artikel und gehe jeder Spur nach, die nach einer Story für eine unserer Führungen riecht», meint er schmunzelnd. «Zugegeben: Viele Gäste auf unseren Rundgängen interessieren sich vor allem für Sex & Crime und gruselige Sachen.» Darum zeigen die Nachtwächter die Munotstadt gerne von ihrer «schröcklichen» Seite – aber nicht nur. Sie erhellen auch, wie die Mönche hinter den Mauern des Klosters Allerheiligen lebten oder wie es damals um die Hygiene bestellt war.
«Schröcklich verlachen»
«Ein Nachtwächter muss auch Entertainer sein. Die Leute sollen über unsere Geschichten lachen können», so Martin Harzenmoser weiter. «Wir liessen uns hierbei von Stadtführern in England und Deutschland inspirieren. Auch sie nutzten den Trick der sogenannten «Punchline», einem kleinen Witz zum Abschluss einer Station. «Das ist ein ganz wichtiges Element», sagt Harzenmoser, «um die Teilnehmenden neugierig darauf zu machen, worüber sie beim nächsten Halt lachen können.» Wer bei Harzenmosers Führungen mit dabei war, merkt schnell, dass ein Nachtwächter auch eine Art Stand-up-Comedian ist. Und das kommt beim Publikum an.
Weitere 25 Jahre als Ziel
Martin Harzenmoser und sein Bruder Thomas gehen seit 25 Jahren ihrer grossen Passion nach. Diese Erfahrung schlägt sich auch in ihrer Rhetorik nieder. Dank ihrer speziellen Intonation und Stimmmelodik hängen die Zuhörenden schnell an ihren Lippen und lauschen gebannt der Dramaturgie ihrer Geschichten. «Uns machen die Rundgänge nach wie vor grossen Spass, weil im Laufe der Zeit immer wieder neue Geschichten dazukommen», sagt der Nachtwächter aus Leidenschaft. «Ich bin optimistisch, dass wir auch das 50-jährige Jubiläum erreichen», meint Harzenmoser augenzwinkernd.
Ticketverlosung
Am kommenden Samstag, 29. Juli, findet anlässlich des 25-Jahre-Jubiläums eine exklusive Nachtwächterführung statt, die um 21 Uhr vor dem Schaffhauserland Tourismusbüro an der Vordergasse 73 beginnt. Tickets können dort im Voraus für 15 Franken (Kinder 10, KulturLegi 7.50 Franken) bezogen werden.
Zudem verlost der «Bock» exklusiv 3x2 Tickets für diese Nachtwächterführung. Senden Sie eine Mail auf info@bockonline.ch. «De Schneller isch de Gschwinder.»