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Kultur
11.07.2023

Eine Erfolgsstory im Rückblick

Für Festivalleiter Adrian Brugger (r.) – hier mit Bligg – gehört der persönliche Kontakt mit den Künstler:innen zu den schönsten Erlebnissen am Stars in Town.
Für Festivalleiter Adrian Brugger (r.) – hier mit Bligg – gehört der persönliche Kontakt mit den Künstler:innen zu den schönsten Erlebnissen am Stars in Town. Bild: zVg.
Vom dreitägigen Musikfestival zum kulturellen Aushängeschild: Das Stars in Town jährt sich vom 2. bis 12. August zum zwölften Mal. Der «Bock» blickt mit Festivalleiter Adrian Brugger auf die Anfänge sowie die Höhen und Tiefen des Festivals zurück.

Alle zehn Jahre präsentiert der Kanton Schaffhausen ein Visionenpapier. 2006 wurde ein kultureller Leuchtturm gesucht, der über die Region hinaus strahlt. Dieser Aufgabe nahmen sich drei Personen an: Thomas Nyffenegger, Simon Vogel und Adrian Brugger. Dies mit Erfolg – 2010 führten sie zum ersten Mal ein dreitägiges Musikfestival auf dem Herrenacker durch. 10 000 Besucher:innen waren Teil des Beginns eines Erfolgsprojekts, welches sich in den vergangenen 13 Jahren zu einem der bedeutendsten Musikfestivals der Schweiz  entwickelte. Ein Unterfangen, das den Verantwortlichen grosse finanzielle Hürden, viele schlaflose Nächte und endlos viel Herzblut abverlangte. 

«Bock»: Wir gehen ins Jahr 2010 zurück. Welches sind die ersten Erinnerungen, welche dir an die Anfänge des Stars in Town, damals noch «das festival», kommen? 

Adrian Brugger: Das Pizzaessen am Dienstagabend im damaligen «Hoch 5» an der Hochstrasse. Unser Enthusiasmus war riesig, aber es herrschte sehr viel Durcheinander. 

Von der Idee bis zur ersten Durchführung vergingen vier Jahre. 

Brugger: Die Finanzierung war von Anfang an eine grosse Herausforderung. Damals gab es gerade das finanzielle Debakel mit dem Konkurs von «Die schwarzen Brüder» in der Stahlgiesserei, weshalb viele regionale Sponsoren zurückhaltend waren. Wir kannten die Eventbranche teils von unseren Hauptberufen – ich selbst arbeitete unter anderem viele Jahre als Sponsoringverantwortlicher für UBS und SRF – doch ein nationales Festival auf die Beine zu stellen braucht viel Geduld und Hartnäckigkeit. 

Mit Simple Minds habt ihr bereits im ersten Jahr mit einem grossen Headliner aufgetrumpft. War es damals einfacher, an grosse Namen zu kommen?

Brugger: Die Eventdichte war damals schon gross, doch es war sicher einfacher. Im heutigen Marktumfeld ein solches Festival zu starten, wäre ein Selbstmordkommando. 

2011 erlitt das Festival einen herben Rückschlag mit einem sechsstelligen Defizit. Wie kam es dazu nach dem erfolgreichen Start?

Brugger: Wir waren zu euphorisch. Das Festival wurde auf vier Tage ausgebaut – und wir hatten das Pech, dass mit Duran Duran ein Headliner mit starker Zugkraft absagte, den wir nicht gleichwertig ersetzen konnten. Bis dahin stemmten wir alles vereinsbasiert und im Hobbybereich. Doch nach diesem Defizit mussten wir uns überlegen, wie es weitergeht. Simon und ich entschieden, Strukturen zu schaffen und alles zu professionalisieren. Denn wir glaubten an die Zukunft. 

Mit der neuen Organisation ab 2012 arbeiteten 200 Stellenprozent das ganze Jahr hindurch für das Festival (heute sind fünf Mitarbeitende das ganze Jahr beschäftigt). Der Event festigte sich und präsentierte 2013 einen neuen Kommunikationsauftritt und freute sich in diesem Jahr über den ersten ausverkauften Abend mit Mike & The Mechanics und Patent Ochsner. «Ein wichtiger Move war die Zusammenarbeit mit Christof Huber vom Openair St. Gallen, der uns vor allem im Bereich Booking unterstützt», so Adrian Brugger. Jahr für Jahr strömten mehr Musikfans in die Munotstadt. 2017 wurde das Angebot mit einer zweiten Bühne für Nachwuchskünstler:innen auf dem Fronwagplatz ausgebaut.

Gab es viele Momente, in denen du um die Zukunft des Stars in Town gebangt hast? 

Brugger: Das beginnt jedes Jahr erneut beim Booken. Dass Weltstars wie Bryan Adams oder Lewis Capaldi nach Schaffhausen kommen, ist nicht selbstverständlich. Da stecken langatmige und komplexe Abläufe dahinter. Man offeriert sehr viel Geld und weiss erst Monate später, ob es klappt oder nicht. Und schlussendlich ist die Basis für alles ein gutes Programm. Denn nur so verkaufen sich Tickets, und von diesen Ticketeinnahmen lebt das Festival. Zudem haben wir eine sehr hohe und vor allem risikobehaftete Kostenseite, darunter das Wetter oder Künstlerausfälle.  

Das klingt nach einem grossen Druck. 

Brugger: Brutal. Was wir machen, ist kein 9-to-5-Job, sondern ein 7x12-Stunden-Job mit riesigem Druck und unzähligen schlaflosen Nächten. Dafür braucht es sehr viel Herzblut und Leidenschaft.

«Schlussendlich ist die Basis für alles ein gutes Programm. Denn nur so verkaufen sich Tickets, und von diesen Ticketeinnahmen lebt das Festival», so Festivalleiter Adrian Brugger. Bild: zVg. / Julius Hatt

Was hat es gebraucht, dass am 2. August die Toten Hosen nach Schaffhausen kommen?

Brugger: Dazu muss ich als erstes erwähnen, dass Die Toten Hosen für uns ein defizitäres Unterfangen sind. Jedoch ist es ein Reputationsschub, dass eine Band, die ganze Stadien füllt, auf den Herrenacker kommt. Wir hatten das Glück, dass die Hosen 2022 im Letzigrund waren und dieses Jahr am Gurtenfestival spielen. Die Veranstalter des Gurtenfestivals machten uns die Exklusivität auf, da wir weit genug entfernt sind. Das sind wichtige Verhandlungen, welche wir auch dank unserem Netzwerk in der SMPA (Swiss Music Promoters Association) führen.

«Die Toten Hosen sind ein defizitäres Unterfangen»
Adrian Brugger, Festivalleiter Stars in Town

Du hast einmal gesagt: «Wenn die Toten Hosen nach Schaffhausen kommen, dann höre ich auf.»

Brugger: Es ist sicher eine der grössten und besten Livebands, die wir ermöglichen können. Damit ist für mich ein riesiges Ziel erreicht. Nun kommt der Punkt, an dem ich überlege, was wir noch erreichen wollen. Ich will frühzeitig über das Thema Nachfolgelösung sprechen, denn das ist ein Prozess, der mehrere Jahre dauert. 

Grosse Unterhaltungskonzerne wie Live Nation oder Eventim besitzen immer mehr Festivals, Konzerte, Arenen und Künstler. Wie beurteilst du diese Entwicklung?

Brugger: Es ist sicher extrem schwierig geworden, da die grossen Player den Markt kontrollieren. Aus meiner Sicht ist das keine gute Entwicklung, auf die man aber nur bedingt Einfluss nehmen kann – beispielsweise durch Zusammenarbeiten mit anderen Festivals. Herausfordernd ist auch, dass der Markt generell teurer wird. Darauf wirken sich einerseits die Gagen und andererseits der Fachkräftemangel im Eventbereich sowie die steigenden Materialkosten aus.

Gibt es Konzerte, welche dir in 12 Jahren Stars in Town besonders geblieben sind?

Brugger: Das erste Konzert, das mich vom Sockel gehauen hat, war Skunk Anansie, die mit so viel Power auftraten. Bryan Adams im Vollregen war auch ein unvergessliches Erlebnis, von dem heute noch alle reden. Oder auch letztes Jahr der Abend mit Jan Delay und Parov Stelar bei Gewitter – wenn das Publikum richtig feiert, das sind die coolen Geschichten. Gleichzeitig unterstreicht es, wie wichtig das Gesamterlebnis geworden ist. Das wollen wir mit «more than music» weiter pushen. 

 

2017 wurde das Angebot mit einer zweiten Bühne für Nachwuchskünstler:innen auf dem Fronwagplatz ausgebaut. Bild: zVg. / Laura Rubli

Was sind Erlebnisse «hinter den Kulissen», welche du nicht vergessen wirst?

Brugger: Seitens Management wird im Voraus oft versucht, die Bands unantastbar zu machen. Das Schönste ist für mich, wenn man dann persönlich in Kontakt mit den Künstler:innen kommt. Roger Hudgson (Ex Supertramp) oder Mike Rutherford (Ex Genesis), die sich unter die Zuschauermenge mischen und mit uns ein Bier trinken, oder Mark Forster, der ein absolut nahbarer Typ war. Highlights sind auch, wenn wir den Stars unsere Gegend zeigen können – beispielsweise der Ausflug mit Rag’n’Bone Man zum Rheinfall. Wir haben viele Künstlerfeedbacks, in denen es heisst, dass sie sich von unserem Artist Care sehr wohl und gut betreut fühlen.

Doch nicht alle Stars sind so nahbar. 

Brugger: Nein – extrem abgehoben erlebten wir die Scorpions. Für jede einzelne Person auf der Bühne musste direkt nach dem Konzert ein schwarzer Audi A8 parat stehen, der sie ins Hyatt nach Zürich brachte. 

Anfangs drei Tage, heute sieben Tage über zwei Wochen. Wird das Stars in Town immer noch länger dauern?

Brugger: Nein. Das Schwergewicht liegt auf Donnerstag, Freitag und Samstag. Wir halten uns den siebten und achten Tag offen, falls grosse Stars wie Sting, Lenny Kravitz oder dieses Jahr Die Toten Hosen gerade per Zufall in dem Zeitraum in der Schweiz sind. Wir wollen weder die Stadt, noch die Crew – mit unseren rund 650 freiwilligen Helfer:innen – überlasten. 

Die Neue Helvetische Gesellschaft (NHG) fühlt sich verdrängt vom Stars in Town und hat die 1.-August-Feier abgesagt. 

Brugger: Wir verdrängen niemanden. In unserer kleinen Stadt kommt man immer aneinander vorbei, davon bin ich überzeugt. Wir hatten der NHG angeboten, dass sie unsere Infrastruktur kostenlos nutzen können und wir an diesem Tag mit dem Aufbau pausieren. 

Welches Fazit ziehst du nach all den Jahren?

Brugger: Zum einen bin ich dankbar, dass wir dieses Jahr bereits die zwölfte Ausgabe feiern dürfen. Das ist nicht selbstverständlich. Zum anderen bin ich dankbar, dass wir jedes Jahr zu Gast in der Schaffhauser Altstadt sein dürfen. Ein grosses «Merci» gilt den Anwohnenden, welche tolerant sind und Stars in Town mittragen, im Sinne einer grösseren Sache, welche viele Besuchende aus nah und fern begeistert und Schaffhausen national und international ins beste Licht rückt.

Lara Gansser, Schaffhausen24