Der 1934 in der ehemaligen Tschechoslowakei geborene Boleslav Kvapil beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit der Frage, wie die innere und äussere Freiheit bewahrt und gelebt werden kann. Wer das bewegte Leben des Künstlers kennt, kann den Grund hierfür wahrscheinlich nachvollziehen. Seine Gemälde spiegeln seine scharfen Beobachtungen und Interpretationen mit besonderem Bezug auf politische Aspekte wider: ergänzt durch seine Lebenserfahrungen. Diese reichen von Flucht, Repression, Alkoholkonsum bis hin zu familiären Schicksalsschlägen. «Malerisch, poetisch, satirisch» heisst nicht nur die Ausstellung des Malers im Kulturzentrum Sternen in Thayngen, sondern auch das kürzlich aus der Taufe gehobene Buch. Die Gemälde können noch bis kommenden Sonntag betrachtet werden.
Zufällige Begegnung
«Ich habe den Exiltschechen nicht persönlich getroffen. Aber die mehrjährige Vertiefung in seine Werke und die zahlreichen Besuche bei seiner Witwe haben mir Boleslav Kvapil sehr nahegebracht», erzählt Paul Ryf, Kurator des Kulturzentrums Sternen in Thayngen. Der Kunstliebhaber erklärt, dass Boleslav Kvapil, wie viele andere auch, nach dem Prager Frühling seine tschechische Heimat verliess und sich in den «Goldenen Westen» begab. Da hoffte er auf eine glänzende Zukunft. «Dass nicht alles Gold ist, was glänzt, dürfte auch Boja Kvapil erfahren haben. Teile seiner Werke erzählen davon».
Sabine Eva Kvapil, die Witwe des im 2017 verstorbenen Malers, kam mit Paul Ryf zufällig in den Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen ins Gespräch. «Obschon ich den Künstler nicht kannte, liess ich mich überzeugen, eine Retrospektive vorzubereiten», erzählt der Kurator.
Malerisch
Auf den ausgestellten Landschaftsbildern vermeidet der Maler humane Spuren. Dem Buch ist zu entnehmen, dass Boleslav Kvapil das Reisen nicht mochte. Einen liebgewonnen Ort zu verlassen, sei für ihn furchterregend gewesen. Entsprechend habe er mithilfe seiner Malkunst Landschaften entstehen lassen. Zu sehen sind nahegelegene Landschaften wie beispielsweise das Schloss Herblingen, aber auch aus seiner Fantasie entsprungene, utopische Bilder wie «Seidenstrasse» oder «Irgendwo-nirgendwo». An Schaffhausen gedachte er mit dem Ölbild «Kennen Sie Schaffhausen?».
Poetisch
Etwas von Poesie hat die Art und Weise, wie Boleslav Kvapil die abstrakten Themen in seinen Gemälden in greifbare Begriffe verwandelt. Die Botschaften beziehungsweise die Poesien, die er über seine Kunst übermitteln will, spiegeln sich sozusagen über seine Pinselstriche auf den Leinwänden wider. Franz Kafka, der als Vorläufer der Existenz-Philosophie gilt, war dem Maler schon früh eine Inspiration. In den 1990-er Jahren soll sich Boleslav Kvapil jedoch der Philosophie intensiver genähert haben. Die Beobachtung und Interpretationen der geistlichen Welt verarbeitete er in zahlreichen Gemälden. Wenig mit Poesie haben wiederum vereinzelte Bilderrahmen zu tun. «Bole legte viel Wert darauf, dass jedes Bild einen Rahmen hat. Er hat sie selbst gezimmert. Manchmal einfach aus Holzresten», so Paul Ryf.
Satirisch
Boleslav Kvapil soll die Sitten der feinen Gesellschaft genauso wie die des Proletariats gekannt haben. Entsprechend setzte er sich in seinen Bildern mit den wohlsituierten Menschen wie auch der entgegengesetzten Schicht auseinander. Mit fratzenhaften Darstellungen interpretierte er allgegenwärtige Themen, die damals wie auch heute nicht an Aktualität verloren haben. Seine satirischen Bilder propagieren vor Themen innezuhalten, die seit jeher die Menschen beschäftigen: Politik, Macht und Gier. Er thematisierte den Machtmissbrauch genauso wie die Reaktionen der Menschen darauf. Militärische und politische Hochrangige malte er als Narren. Boleslav Kvapil geizte weder mit Sarkasmus noch mit Spott und verarbeitete in seinen Arbeiten seine scharfen Beobachtungen.
Oft gewählte Malobjekte sind nebst Narren auch Mäuse, Uhren, Frauen sowie Alkohol und Zigarren. Der Künstler selbst war letzteren beiden nicht abgetan. Auf Fotos ist der Maler mit leeren Bierflaschen und halb gerauchten Zigarren zu sehen. Und auch in der laufenden Ausstellung ist in einer Ecke, neben einem Bild des verstorbenen Malers, ein wohl realistischer Arbeitsplatz entstanden: mit angebrochenen Farbtuben, Pinseln, Malmesser und leeren Bierflaschen.
Die Ausstellung ist noch am kommenden Samstag und Sonntag jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Informationen sind unter kulturverein-thayngen.ch abrufbar.