Home Region Sport Schweiz/Ausland Magazin Agenda
Gast-Kommentar
Kultur
01.05.2023

Alles neu macht der Mai

Stéphanie Stamm schreibt in regelmässigen Abständen eine Kultur-Kolumne im «Bock».
Stéphanie Stamm schreibt in regelmässigen Abständen eine Kultur-Kolumne im «Bock». Bild: zVg.
Wissen Sie, warum der Mai eigentlich als Wonnemonat betitelt wird? Darüber schreibt Stéphanie Stamm in ihrer neusten Kolumne.

Juhu, der Mai ist da! Wenn ich mich von den zwölf Monaten für einen entscheiden müsste, dann für ihn. Alles ist hell- bis sattgrün, der Flieder blüht, Blaumeise, Kleiber und Rotkehlchen schlüpfen, die April-Kapriolen haben wir hinter uns gelassen (die Eisheiligen verdränge ich), die Sommerhitze plagt noch nicht zu sehr. Ich esse Spargeln, der Rhein glitzert in der Frühlingssonne, die Abende sind angenehm lang, und Auffahrt und Pfingsten erlauben dieses Jahr ein paar zusätzliche freie Mai-Tage. Was könnte schöner sein? Diese Frühlingsfaszination kenne ich schon seit frühesten Kindheitstagen, und schnell merkte ich, dass es vielen anderen Menschen auch so geht. Schaut man in die Musik, die Literatur, die bildende Kunst – überall wird der Mai mit derselben Wonne besungen. Vor zwei Tagen kam im St. Johann Felix Mendelssohn Bartholdys «Die erste Walpurgisnacht» zur Aufführung, komponiert auf das gleichnamige Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe («Es lacht der Mai! Der Wald ist frei von Eis und Reifgehänge. Der Schnee ist fort; am grünen Ort erschallen Lustgesänge.»). Ähnlich euphorisch klingt es bei Heinrich Heine («Im wunderschönen Monat Mai, als alle Knospen sprangen, da ist in meinem Herzen die Liebe aufgegangen. Im wunderschönen Monat Mai, als alle Vögel sangen, da hab’ ich ihr gestanden mein Sehnen und Verlangen.»). Der Mai wurde überdies in zahlreichen Volksliedern vertont (zum Beispiel vom Schweizer Pfarrer und Dichter Friedrich Oser: «Der Mai ist da, so schön, wie ich noch nie ihn sah! Wie wird das Herz so gross, so weit, bei all’ der Pracht und Herrlichkeit! Nur Freud’ und Leben überall, nur Duft und Glanz und Jubelschall!»), während Erich Kästner ihn in seinem Gedicht «Der Mai» sogar den «Mozart des Kalenders» nannte. Auch in der bildenden Kunst ist der Mai bzw. die Darstellung des Frühlings omnipräsent von der Spätrenaissance über die Romantik bis hin zum Jugendstil und der Moderne; schauen Sie doch einmal Leandro Bassanos «Der Monat Mai» und im Gegensatz dazu Ker-Xavier Roussels Frühlingsdarstellungen, besonders das Winterthurer Wandbild «Printemps», an. Ich wünsche einen erfolgreichen Tanz in den Mai! PS: Wissen Sie, warum der Mai eigentlich als Wonnemonat betitelt wird? Ja klar, Wonne bedeutet nach Duden «hoher Grad der Beglückung, des Vergnügens, der Freude». Ursprünglich aber wurde damit der Weidemonat gemeint, vom althochdeutschen Wort «wunnimanod/winnimanod» kommend; dem Monat also, in dem das Vieh wieder auf die «winni», die Weide, darf.

Schaffhausen24