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Kultur
17.04.2023

Ein «Goatemane» namens Viridus

In der virtuellen Crowd hat Remo Eymann alias Viridus seine Fanbase aufgebaut. In Schaffhausen wird er mittlerweile auch wahrgenommen.
In der virtuellen Crowd hat Remo Eymann alias Viridus seine Fanbase aufgebaut. In Schaffhausen wird er mittlerweile auch wahrgenommen. Bild: zVg. / Dario Stamm
«I make weird shit and call it music!» (englisch für: Ich mache wirres Zeug und nenne es Musik). So begrüsst Viridus seine Fans auf den Social-Media-Kanälen. Doch wer ist dieser Viridus? Ein Portrait über eine einzigartige Persönlichkeit.

Er atmet einmal tief durch. «Ich bin gerne hier draussen, um nach einem anstrengenden Tag einfach abzuschalten.» Remo Eymann, 23, Metallbauer, aufgewachsen im Pantli, blickt vom Schaffhauser Naturpark ins weite Klettgau und geniesst die Stille. Er sei eine herzensgute Seele, wird aus dem Umfeld unisono berichtet. Ein «Everybody’s Darling», weil zuvorkommend, empathisch, nimmt Anteil am Leben seines stetig wachsenden Umfelds. Sich in einem fortwährenden Prozess während der letzten Jahre befindend, aus der Rolle eines Introvertierten zu schlüpfen, um sich im Leben als auch in der musikalischen Welt zu verwirklichen. Das war früher mal ganz anders.

Vom Clown zum Introvertierten

Im frühen Kindesalter war Klein-Remo hyperaktiv. «Der Klassenclown», erinnert er sich zurück. Energetisch am oberen Level, ehe man bei ihm als Sechsjähriger ADHS diagnostizierte. «Um die Konzentration zu fördern, wurde mir Ritalin verschrieben. Das führte dazu, dass sich die Schulleistungen positiv entwickelten», berichtet Remo Eymann. Allerdings litt er unter starken Stimmungsschwankungen. «Mein innerer Geist fühlte sich schwach an, ich hatte keinen Appetit mehr und wollte auch nicht mehr mit anderen Menschen kommunizieren.» Seine Emotionen flachten zusehends ab und er fiel in eine Depression. Remo Eymann veränderte sich zu einem komplett anderen Menschen: verschlossen, sehr introvertiert, ohne Lebensmut. Um dem entgegenzuwirken, setzte er später die Medikation wieder ab.

Tatsächlich blühte Remo Eymann wieder auf. Es war während der letzten rund acht, neun Jahre ein langer Prozess, um wieder aus dieser Apathie herauszukommen. «Ich hatte lange Zeit grosse Mühe, generell Menschen anzusprechen. Nur im vertrauten Umfeld konnte ich mich völlig öffnen und entfalten.» Grosse Unterstützung erhielt er von seiner Familie, die ihn durch diese dunklen Jahre begleitete, aber auch von seinen engsten Freunden, die ihm bis heute stets treu zur Seite stehen.

Polymusikalische Interessen

Grossen Halt fand Remo Eymann in der Musik. «Ich sah mal ein SpongeBob-Video, bei dem ein Song von Linkin Park abgespielt wurde», weiss der 23-Jährige zu berichten. «Ich wollte unbedingt mehr erfahren über diese Band. Ich kaufte alle Alben und so wurde Linkin Park zu meinem stetigen Begleiter, mit dem Höhepunkt, sie 2014 im Hallenstadion zu sehen», erinnert sich Remo Eymann. Musikalisch erweiterte er sein Interesse parallel auch im elektronischen Bereich. «Ich entdeckte den kanadischen DJ und Produzenten Deadmau5, der Trance und House, immer in einem Track auf sich aufbauend, vermischte und mich damit sehr neugierig machte.» Ebenfalls imponierte ihm dessen Markenzeichen Mau5head, ein Charakter mit Mauskopf, mit dem sich der DJ bei seinen Auftritten jeweils maskiert. «Ich lernte zudem den Dubstep-DJ und Produzenten Skrillex kennen, der mich ebenfalls inspirierte.»

Voll im Fokus: Der 23-jährige Remo Eymann hat sich in der Schaffhauser Musikszene integriert und belebt diese mit seinem selbst produzierten Nischensound, der in seiner virtuellen Crowd auf grosse Popularität stösst. Bild: zVg. / Dario Stamm

Die Entstehung von «Viridus»

Nicht nur die polymusikalische Mischung zwischen Metal und Electro zog den heranwachsenden Teenager in den Bann, sondern auch deren Charaktere. «Skrillex erschuf für jeden Clip eine neue Kreatur, was mich unglaublich faszinierte. Ich wollte als 14-, 15-Jähriger ebenfalls solche Mixtures kreieren und dazu entsprechende Charaktere einfliessen lassen. Ich entdeckte eines Tages eine Kreatur, die ich sehr spannend fand: Eine Gestalt in Menschenform und mit Ziegenkopf. Genau das passte zu mir.» Doch auch ein Künstlername mit Wiedererkennungswert war wichtig. Zuerst nannte er sich «Greenlight», doch das erfüllte ihn nicht. «Ich erhielt den Input, die lateinische Übersetzung ‹viridis› zu übernehmen und daraus entstand schliesslich Viridus. Damit konnte ich mich zu 100 Prozent identifizieren.» Remo Eymanns Charakter Viridus, der Mensch gewordene «Goatemane», wurde geboren.

Die menschenähnliche Kreatur mit Ziegenkopf beschreibt Goatemane Viridus. Bild: zVg.

Einlaufmusik an den FCS-Heimspielen

Mittlerweile gibt es über 100 Viridus-Tracks, die der junge Musiker selbst kreiert hat. «Davon habe ich allerdings nur ein paar Dutzend Tracks veröffentlicht.» Ihm sei sehr wichtig, dass jede Produktion eine eigene Identität hat. Cinematische Klänge, vermischt mit Dubstep und Metaleinflüssen, mal chillig, mal aggressiv, so bildet sich das Repertoire des charakteristischen Künstlers. «Ich biete keine Tanzmusik, da die Tracks mit unerwarteten Rhythmus- oder Stilwechseln gespickt sind», erklärt Remo Eymann seine Kompositionen. Dabei kann er auf zwei Höhepunkte zurückblicken. «Einmal wurde mein Sound in einer Luzerner Discothek abgespielt und die Resonanz war verblüffend gross. Und 2020 wurde mein Track ‹Guardian› als Einlaufmusik bei den Heimspielen des FC Schaffhausen eingespielt», strahlt der Musiker noch heute mit glänzenden Augen. «Das hat mich schon ziemlich geflasht.»

Fanbase aus der ganzen Welt

Die Fanbase von Viridus ist allerdings nicht, wie bei einer lokalen Band, durch alle Generationen in der Region zu finden. «Ich erhalte zwar immer wieder Rückmeldungen aus dem persönlichen Umfeld, doch die Crowd, die empfänglich ist für meine Musik, ist im Raum Schaffhausen schlicht zu klein», konstatiert Remo Eymann. «Meine Zielgruppe ist vor allem im Internet zu finden. Da hat sich eine globale Gemeinschaft von Tausenden von Anhänger:innen gebildet, die alle total verrückt nach Viridus sind». Dennoch hegt er den Wunsch, seine Musik bald auch mal live auf einer Bühne inklusive Charakter zu präsentieren. Ganz auszuschliessen ist das nicht, da sich Remo Eymann mittlerweile der Schaffhauser Musikszene angeschlossen und integriert hat und dort zur Entfaltung kommt.

Schaffhausen24, Ronny Bien