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17.04.2023

Kulturerbe aus dem Büro

Beide sind gelernte Schreibmaschinen-Reparateure: Werner Alder (l.) und Mark Maag.
Beide sind gelernte Schreibmaschinen-Reparateure: Werner Alder (l.) und Mark Maag. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Werner Alder und Mark Maag sind ursprünglich gelernte Schreibmaschinenreparateure. Noch heute beschäftigen sich die Pensionäre im Schreibmaschinen-Museum in Bibern mit ihrem ursprünglich erlernten Beruf. Die Passion zu mechanischen Schreibgeräten ist bis heute geblieben. Eine Reise in die Vergangenheit.

Die Geschichte des Schreibmaschinen-Museums in Bibern begann sich im Jahre 2015 zu schreiben. Damals lag das Angebot eines ehemaligen Bürofachgeschäftes aus Thayngen vor, eine Garage voller Schreibmaschinen als Sammelstücke in das Ortsmuseum von Thayngen zu integrieren. Die Anzahl von 70 Geräten wurde allerdings für das überschaubare Ortsmuseum von Thayngen als zu grosser Schwerpunkt betrachtet. Eine andere Lösung musste her. Im alten Schulhaus von Bibern wurden die Initianten des Schreibmaschinen-Museums fündig. Mittlerweile sind aus den ursprünglich 70 Schreibmaschinen gegen 1000 geworden: Rund 470 Stück sind in der Ausstellung zu sehen. Interessierte finden Geräte aus vielen verschiedenen Zeiten, Modelle unterschiedlicher Systeme und Herkunft. Exemplare aus den Anfängen der Schreibmaschinen-Zeit bis zu elektronischen Textverarbeitungsmaschinen der neueren Ära. Von sehr einfachen und rein funktionellen Designs bis hin zu schwarzen Hochglanz-Objekten mit Goldbeschriftung.

Ein ausgestorbener Beruf

Heute betreiben die beiden Mitinitianten Jörg Stamm und Mark Maag sowie der kurz nach der Eröffnung im Mai 2017 dazugestossene Werner Alder das Schreibmaschinen-Museum in Bibern. 470 ausgediente Schreibmaschinen sind im ehemaligen Schulhaus von Bibern ausgestellt. Werner Alder und Mark Maag sind beide ursprünglich gelernte Schreibmaschinen-Reparateure. «40 Jahre nach meiner Berufslehre bin ich wieder zu meinen beruflichen Wurzeln zurückgekehrt», klärt Werner Alder auf. Er hörte 2017 im Radio von der Eröffnung des Schreibmaschinen-Museums und wurde hellhörig. Denn obschon er längst nicht mehr auf seinem ursprünglich gelernten Beruf arbeitete, war sein Interesse an den mechanischen Schreibgeräten nie verloren gegangen. Als er angefragt wurde, ob auch er im Museum mitwirken wollte, sagte er sofort zu. 

Ein Herz für Schreibmaschinen

Mark Maag ist in Zürich aufgewachsen und entschied sich aufgrund der spannenden Mechanik Schreibmaschinen-Reparateur zu werden. «Zu jener Zeit war Zürich aufgrund vieler ansässiger Generalvertretungen das Schreibmaschinen-Mekka. Es gab also mehr als genug Arbeit», erinnert er sich zurück. Der heute 78-Jährige arbeitete über 30 Jahre im technischen Dienst in der Finanzbranche und war für die Instandhaltung verschiedenartiger Büromaschinen verantwortlich. Als die mechanischen Bürogeräte durch modernere ersetzt wurden, brachte es der leidenschaftliche Sammler nicht übers Herz, die ausgedienten Schreibmaschinen auf den Schrottplatz zu bringen. Und so nahm er nach Absprache mit dem Arbeitgeber die ausrangierten Modelle zu sich nach Hause. «Damit, aber auch durch Käufe auf Flohmärkten und in Brockenhäusern kamen über die Jahre rund 500 Schreibmaschinen zusammen. Ich lagerte diese in mehreren gemieteten Lagerräumen, bis ich sie vor rund sechs Jahren hierher nach Bibern brachte.» Der passionierte Feinmechaniker restaurierte, dokumentierte und illustrierte eine
grosse Anzahl Schreibmaschinen aus seiner Sammlung. Viele davon sind im Schreibmaschinen-Museum ausgestellt. 

Kosten entsprachen einem Jahresgehalt

Unter den vielen Ausstellungsmodellen befinden sich bekannte Schreibmaschinen wie beispielsweise die Hermes Baby. Die Schweizer Reisemaschine war ein gängiges Modell für den Privathaushalt und wurde zwischen 1935 und 1989 gebaut. Massgebend für das Baujahr einer Schreibmaschine ist jeweils die Patenteröffnung. «Die Angaben beziehen sich jeweils auf das erste Baujahr. Die Maschine ist aber nicht zwingend so alt. Die Geräte wurden ja über mehrere Jahre gebaut», erklärt Mark Maag. Die Anschaffung einer Schreibmaschine, die um das Jahr 1900 gebaut und in Amerika verkauft wurde, habe etwa dem Jahreslohn eines Mechanikers entsprochen. «In solchen Geräten steckt viel Entwicklungsarbeit. Bis zu 2000 Teile können darin verbaut sein», klärt Werner Alder auf. 

Knapp 100 Jahre vor der ersten E-Mail war das At-Zeichen bereits auf den alten Schreibmaschinen zu finden. «Die einen verwendeten das At-Zeichen für Korrespondenz in gerichtlichen Angelegenheiten. Beispielsweise bei Verhandlungen zwischen zwei Parteien. Meyer @ Müller: also Meyer gegen Müller. Andere benutzten es als kaufmännisches Zeichen: 15 Kilogramm Äpfel @ einen Franken», klärt Werner Alder auf. 

Die älteste Schreibmaschine im Museum in Bibern ist ein Gerät mit Volltastatur und soll aus dem Jahr 1904 stammen. Es sind auch Exemplare zu sehen, die eine Bürste im Gerät integriert haben. «Damit konnte die Sekretärin die Typen reinigen», so Mark Maag. Die etwas jüngeren Objekte im Museum sind bereits mit Umschalttasten versehen. Das Tippen mit einer solchen Schreibmaschine entspricht der Weise, wie sie heute noch praktiziert wird. Auf den meisten Ausstellungsmodellen dürfen Besucherinnen und Besucher selbst testen, wie Bürofachleute vor dem Computer-Zeitalter ihre Arbeit verrichteten. «Wir haben nur eine Maschine hinter Glas. Es handelt sich um ein chinesisches Gerät mit mehreren Zeichensätzen», erläutert Werner Alder. 

 

Das Schreibmaschinen-Museum ist jeden zweiten Samstag im Monat von jeweils 14 bis 17 Uhr geöffnet. Für Gruppen wie beispielsweise Schulklassen können Führungen nach Absprache auch ausserhalb der Öffnungszeiten stattfinden. Weitere Informationen sowie Kontaktdaten sind auf schreibmaschinen-museum.ch abrufbar. 

Gabriella Coronelli, Schaffhausen24