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Politik
27.02.2023

Gesetzliche Grundlage fehlt

Der Kanton Schaffhausen stimmt über die Teilrevision des Schulgesetzes ab. (Archivbild)
Der Kanton Schaffhausen stimmt über die Teilrevision des Schulgesetzes ab. (Archivbild) Bild: Nathalie Homberger, Schaffhausen24
Am 12. März wird über die Teilrevision des Schulgesetzes abgestimmt. Die Voraussetzung eines Lehrdiploms bei Heimunterricht wird von Einzelnen kritisiert.

Wer zuhause die eigenen Kinder privat unterrichten will, der soll gewisse Voraussetzungen erfüllen und ein Lehrdiplom vorweisen. Dies ist unter anderem Gegenstand der Teilrevision des Schulgesetzes, welche der Schaffhauser Kantonsrat im Sommer 2022 einstimmig annahm. Dagegen haben einzelne Personen das Referendum ergriffen. Daher müssen die Stimmbürgerinnen und -bürger des Kantons Schaffhausen am 12. März an der Urne entscheiden.

Im Gesetz verankern

Das Schulgesetz des Kantons Schaffhausen trat 1981 in Kraft. Die darin festgehaltenen Regelungen zur Bewilligung von privaten Schulen und Heimunterricht sind sehr unpräzise. Genauer gesagt muss der Unterricht für Kinder im Schulpflichtalter – also während elf Jahren – an privaten Schulen oder im Heimunterricht nur den Bildungszielen der öffentlichen Schulen genügen. 

Da der bis anhin vom Erziehungsrat gelebten Bewilligungspraxis für Privatschulen und Heimunterricht keine gesetzliche Grundlage zugrunde liegt, durfte der Erziehungsrat nach einem Rekursverfahren im April 2020 bei der Bewilligung von Homeschooling kein Lehrdiplom mehr verlangen. So stieg die Zahl von Kindern, die privat unterrichtet werden, von sieben auf aktuell 43. Der Regierungsrat entschied daher, dass die Voraussetzungen, die an Heimunterricht gestellt werden (vor allem das Erfordernis eines Lehrdiploms) einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. 

Lehrdiplom als Voraussetzung

Mit der Teilrevision des Schulgesetzes soll bei privaten Schulen unter anderem die Erreichung der Bildungsziele gewährleistet und ein Anschluss an das nächste Bildungsangebot (wie Übertritt in Lehre) gesichert sein. Auch soll die Persönlichkeits- sowie die körperliche und seelische Entwicklung der Kinder gefördert werden. Neu müssen auch private Schulen den Zugang zu einem sonderpädagogischen Grundangebot sicherstellen. Zudem soll die Finanzierung gesichert und transparent sein. 

Beim Heimunterricht müsste eine Unterrichtsperson wieder ein Lehrdiplom vorweisen, was von den Gegnerinnen und Gegnern der Teilrevision am meisten kritisiert wird. Zudem wird das Erziehungsdepartement neu verantwortlich für die Bewilligung sein. Auch im Homeschooling soll die Erreichung der Bildungsziele und der Anschluss an nachfolgende Bildungsangebote gewährleistet sein.

Mit der Teilrevision werden alle Familien die Möglichkeit erhalten, ihre Kinder während eines Auslandaufenthaltes zweimal vorübergehend (maximal sechs Monate) privat zu unterrichten. Dafür müssen sie aber kein Lehrdiplom vorweisen. Neu sollen die für öffentliche Schulen obligatorischen Lehrmittel für Mathematik, Deutsch, Französisch und Englisch auch Kindern in privaten Schulen und im Homeschooling kostenlos zur Verfügung stehen. Zudem erhalten alle Kinder kostenlos Zugang zu kantonalen Angeboten wie beispielsweise zur Logopädie.

Pro: Theresia Derksen

«Bock»: Der Kantonsrat erachtet die im Schulgesetz neu verankerten Regelungen als notwendig und inhaltlich richtig. Wieso müssen im Bereich der privaten Schulen und des privaten Unterrichts die Grundlagen präzisiert werden?

Theresia Derksen: Der Erziehungsrat, zuständig für die Bewilligung von Privatschulen und -unterricht, hat in der Vergangenheit anhand interner Regeln eine differenzierte Bewilligungspraxis entwickelt. Er hat dabei u.a. vorausgesetzt, dass privat unterrichtende Personen über ein von der EDK anerkanntes Lehrdiplom verfügen. Im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens zeigte sich, dass die gesetzliche Grundlage fehlt, um dies durchzusetzen. Die Teilrevision des Schulgesetzes soll diese gesetzliche Grundlage nun schaffen. Ein vorübergehender privater Unterricht wird weiterhin ohne Lehrdiplom möglich sein.

Dem Kantonsrat ist es ein Anliegen, dass Kinder in privaten Schulen und im privaten Unterricht vor ideologischer oder religiöser Beeinflussung jeglicher Art geschützt werden. Was genau bedeutet das?

Derksen: Eine eigene Werthaltung genügt für die Schulung nicht. Die Kinder sollen Erfahrungen mit Vielfalt machen können und auf die Gesellschaft und das Zusammenleben vorbereitet werden.

Wieso sollen Personen ohne Lehrdiplom privat nicht unterrichten dürfen?

Derksen: Privatschulen behalten bei der Unterrichtsart und den Methoden gewisse Freiheiten. Der Erziehungsrat soll in der Bewilligung festhalten können, welche zusätzlichen Diplome für das Unterrichten an privaten Schulen anerkannt werden. Privatschulen stehen neben der Schulaufsicht auch unter der Kontrolle der Kunden.
Privatunterricht deckt den Unterricht der Schulpflicht (inkl. Kindergarten) ab. Dabei soll eine hohe Qualität sichergestellt, stufengerecht unterrichtet und eine möglichst gleichwertige Ausbildung wie an öffentlichen Schulen ermöglicht werden. Für sachgerechten Unterricht braucht es pädagogisches Fachwissen, was Eltern ohne Lehrdiplom kaum mitbringen. Öffentliche Schulen haben eine Qualität auf hohem Niveau, nicht zuletzt dank der Ausbildung, den regelmässigen Weiterbildungen und der Erfahrung der Lehrpersonen. Eingesetzte Lehrpersonen ohne adäquate Ausbildung werden eng begleitet, was im Privatunterricht nicht möglich ist.

Kontra: Doris Gasser

«Bock»: Mit der Annahme der Teilrevision des Schulgesetzes soll die Gleichwertigkeit von privaten und öffentlichen Schulen sichergestellt werden. Ist das aus Ihrer Sicht nicht notwendig? 

Doris Gasser: Doch! Es ist unbestritten, dass das Schaffhauser Schulgesetz revisionsbedürftig ist. In Ihrer Frage fehlt das Homeschooling. Es ist eine der drei bisherigen sehr gut funktionierenden Schulformen. Homeschooling hat es schon immer gegeben. In unserem Land war es die erste Schulform überhaupt. Alle drei Formen müssen gestärkt werden und haben ihre Berechtigung.

Das Referendumskomittee sagt, dass es mit dem neuen Schulgesetz faktisch unmöglich, respektive unbezahlbar wird, das eigene Kind privat zu unterrichten. Was ist damit gemeint?

Gasser: Das ist richtig. Für gut 2/3 aller Homeschooler wäre das mit einem Ja am 12. März nicht mehr möglich, weil dafür ein EDK-anerkanntes Diplom nötig wäre. Die Eltern müssten diese Ausbildung nachholen, was einen enormen Aufwand bedeuten würde.   

Wieso sollen Personen ohne Lehrdiplom privat unterrichten dürfen?

Gasser: Wieso nicht? Ein Metzger z.B. darf zurzeit eine Klasse mit bis zu 25 Kindern unterrichten. Sein eige-nes Kind zuhause aber nicht. Diese Personen ohne Diplom absolvieren ein «Ready-for-teaching-Program» und unterrichten an öffentlichen Schulen (Lehrermangel). Wieso dürfen Homeschooler daran nicht teilnehmen? Stellen Sie sich vor, ein bisher zuhause unterrichtetes Kind muss zurück in die öffentliche Schule, wo es von einem ebenfalls nicht ausgebildeten Lehrer unterrichtet wird! Wie diskrimiminiert müssen sich diese Eltern vorkommen! Wer sich für Homeschooling entscheidet, tut dies nicht unüberlegt, sondern meistens aus einer schieren Not heraus, weil ihr Kind in der Schule z.B. massiv gemobbt wird, dadurch krank wird, sich überhaupt nicht zurechtfindet. Im privaten Unterricht blühen sie wieder auf und finden neue Freundschaften. Der private Unterricht muss sich an den offiziellen Lehrplan halten und wird regelmässig vom Erziehungsdepartement inspiziert. Der Vorwurf, dass Kinder mit Homeschooling weniger Sozialkompetenz hätten, ist an den Haaren herbeigezogen, meistens ist gerade das Gegenteil der Fall.

Nathalie Homberger, Schaffhausen24