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Reiat
06.02.2023

Aus einem Scherz entstand ein Traum

Der Urgrossvater von Sophie Bührer ist der ursprüngliche Namensgeber des landwirtschaftlichen Betriebes Wagis Farm in Bibern. Die frühere Wagnerei hat aber noch bis heute Spuren auf dem Hof hinterlassen.
Der Urgrossvater von Sophie Bührer ist der ursprüngliche Namensgeber des landwirtschaftlichen Betriebes Wagis Farm in Bibern. Die frühere Wagnerei hat aber noch bis heute Spuren auf dem Hof hinterlassen. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Im Alter, in welchem andere noch die Schulbank drücken, übernahm eine junge Bäuerin den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb. Die 23-jährige Sophie Bührer aus Bibern ist die neue Chefin von Wagis Farm und sprudelt nur so vor neuen Ideen.

Die 23-jährige Sophie Bührer hat Anfang dieses Jahres den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern in Bibern übernommen. Als erste Frau und in dritter Generation führt sie nun Wagis Farm. Den Namen des Hofes hat sie von ihrem Vorgänger, ihrem Vater, übernommen. Er soll auch gleichnamig weitergeführt werden. «Mein Vater, Walter Bührer, ist im ganzen Kanton als Wagi bekannt. Früher gab es in Bibern zehn Walter Bührer. Da musste man halt kreativ werden und so bekamen alle zehn Namensgleichen zur Unterscheidung einen Übernamen.» Die neue Chefin der Wagis Farm hat viele Ideen. Einige davon wurden bereits umgesetzt: Viele weitere sind noch in Planung oder schwirren ihr noch im Kopf herum. Langeweile scheint im Hause Bührer ein Fremdwort zu sein.

Der Wagen rollt weiter

Sophie Bührers Urgrossvater betrieb auf demselben Hof eine Wagnerei, entsprechend lässt sich leicht nachvollziehen, woher der Spitzname abgeleitet wurde. Das Erbe des Urgrossvaters ist heute noch auf dem Hof an diversen Stellen gut sichtbar. Hölzerne Wagenräder schmücken beispielsweise den Eingang des Hofladens. So wurden sie etwa als Armlehne für eine Sitzbank zweckentfremdet, die sich beim Hinsetzen genauso gemütlich anfühlt, wie sie aussieht. Zum gleichbleibenden Namen des Landwirtschaftsbetriebes hat Sophie Bührer eine klare Meinung: «Ich habe zwar viele neue Ideen, aber warum sollte ich etwas ändern, das bereits gut läuft? Der Name Wagis Farm ist über den Reiat hinaus bereits bekannt. Ich sehe keinen Grund, ihn zu wechseln.»

Die gute Schnapsidee

Die lebensfrohe Jungbäuerin wusste von klein auf, dass ihr zukünftiger Beruf sicherlich mit Tieren zu tun haben sollte. «Ich liebe Tiere und habe einen ganz innigen Bezug zu ihnen. Ursprünglich wollte ich Tierpflegerin oder medizinische Tierpraxisassistentin werden, aber dafür hätten meine Schulnoten besser sein müssen», erinnert sich Sophie Bührer und lacht herzhaft. Als sie dann im April ihres letzten Schuljahres noch keine Lehrstelle gefunden hatte, sagte ihr Vater eher scherzhaft zu ihr, dass sie ihre Lehre doch auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb absolvieren solle. «Die vermeintliche Schnapsidee hat mich aber trotzdem zum Nachdenken gebracht. Schnell wurde mir bewusst, dass ich bei diesem Vorschlag viele Leidenschaften vereinen könnte. Auf einem Landwirtschaftsbetrieb kann ich mit Tieren und Maschinen arbeiten und befinde mich weitestgehend draussen. Im Prinzip ist da alles dabei, was ich mir wünschte.»

«Ich habe auf einer Alp das Käsen von der Pike auf gelernt: ganz traditionell über dem Feuer.»»
Sophie Bührer

Lehre auf drei Betrieben 

Und so begann die heute 23-Jährige ihre Lehre als Landwirtin. Das erste Jahr verbrachte sie auf dem elterlichen Betrieb, das zweite in Merishausen und das dritte Lehrjahr in Schleitheim. «In der Schule wählte ich als Wahlfach Direktvermarktung. Als ich mehrere Hofläden im Thurgau besuchte, war ich sofort fasziniert davon. Im Reiat kannte man noch keine Hofläden. Das fand ich so schade, dass ich den Entschluss fasste, diesem Zustand ein Ende zu setzen». Es brauchte nicht viel Überredungskunst; auch Sophie Bührers Eltern waren von der Idee sofort begeistert.

Nach einer kurzen Planungs- und Bauphase eröffnete dann Wagis Hofladen im Juni 2020 seine Pforten. Im Gespräch mit der ideenreichen Bäuerin wird schnell klar, dass sie sehr stolz auf ihren Hofladen ist. «Es war mein erstes grosses Projekt auf dem Hof und ich bin sehr dankbar und glücklich, dass er so rege besucht wird.» Sophie Bührer erklärt, dass sie mit dem in Selbstbedienung immer geöffneten Hofladen die Bevölkerung mit möglichst allen Grundnahrungsmitteln versorgen will. «Ich freue mich sehr, dass wir den bestehenden Hofladen bald vergrössern werden.» Im geplanten Anbau sollen schon bald Früchte, Gemüse, Beeren und ein grösseres Fleischsortiment angeboten werden.

Regional, nachhaltig, tierfreundlich

Ein solcher Hofladen scheint in der Tat ein Bedürfnis zu decken: Innerhalb einer halben Stunde betreten fünf Kunden den Hofladen, um Lebensmittel aus dem grosszügigen Sortiment einzukaufen. «Wir legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Produkte aus regionaler, nachhaltiger und tierfreundlicher Herkunft sind.» Die meisten Erzeugnisse stammen aus eigener Produktion.

«Ich habe sechs Wochen lang auf einer Alp das Käsen von der Pike auf gelernt: ganz traditionell über dem offenen Feuer». Nach diesem Alpsommer entstand dann schon bald, angrenzend an den Hofladen, eine hauseigene Käserei. «Wir wussten, dass die Käseherstellung sehr heikel ist. Und obwohl uns viele davon abrieten, wollten wir es trotzdem probieren und haben im kleinen Rahmen begonnen, unseren eigenen Käse herzustellen.» Die Milch für die Herstellung von Lebensmitteln wie Joghurt, Käse, Glacé oder Butter stammt von den rund 50 hofeigenen Milchkühen. Die Eier legen 18 000 Legehennen, die in einer Betriebsgemeinschaft mit einem weiteren Landwirt aus Bibern in einem grosszügigen Freilaufgehege leben.

Die Familie Bührer bewirtschaftet mit vier festen und zwei saisonalen Angestellten rund 50 Hektaren Land. «Davon ist ein grosser Teil Kunstwiese sowie Silomais, damit unsere Kühe genügend Futter haben. Aber wir bauen auch Urdinkel, Weizen und Hartweizen an». Das ist auch leicht an der grossen Auswahl an Teigwaren und Mehlsorten im Hofladen zu erkennen. Das Sonnenblumen- und Rapsöl stammt ebenfalls aus eigenem Anbau. Die Kühe liefern nicht nur Milch, sondern auch die Hauptzutat der Fleischerzeugnisse. Weiter sind auf dem Hof Pferde, Ponys, Katzen und Hunde anzutreffen. Die Tierliebhaberin träumt von der Realisierung eines Kinderspielplatzes und eines kleinen Streichelzoos: «Es wäre schön, wenn wir für die Bevölkerung, insbesondere für die Kinder, einen solchen Treffpunkt anbieten könnten.» Die Ideen scheinen Sophie Bührer nicht auszugehen. Der bereits bestehende Eventraum soll renoviert werden und der Bevölkerung für Feiern für bis zu 40 Personen zur Verfügung stehen.

Wagis Hofladen eröffnete vor rund zweieinhalb Jahren. Er war das erste eigene Projekt von Sophie Bührer. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24

Keine Ferien nötig

Die Übergabe des Betriebes per Anfang dieses Jahres wurde innerhalb der vierköpfigen Familie vorab mehrmals besprochen. Der Zeitpunkt scheint nun ideal zu sein. «Eine Bäuerin zu sein, bedarf nicht nur der Leidenschaft für den Beruf. Es braucht auch viel Wissen, Erfahrung und Routine. Mein Vater ist noch nicht im Pensionsalter und bei guter Gesundheit. Ich kann also noch viel von ihm lernen, während er immer noch mitanpackt». Sophie Bührer schätzt sich glücklich, dass ihre Arbeitstage erst um 7 Uhr beginnen. «Mein Vater versorgt nach wie vor die Hühner um 5 Uhr, so dass ich momentan noch nicht allzu früh aus den Federn muss». Die junge Bäuerin unterstützt sämtliche anfallenden Arbeiten, sie mag die Tätigkeiten im Stall genauso wie die Mithilfe bei anfallenden Bauarbeiten.

Auf die Frage hin, ob sie sich auch mal eine Auszeit gönne, antwortet sie strahlend: «Meine Arbeit ist für mich gleichzeitig auch Freizeit. Ich brauche keine Ferien, am liebsten bin ich sowieso hier. Auch wenn die Arbeit sehr anstrengend sein kann, ist das Leben hier für mich wie Ferien».

Wagis Farm stellt in ihrer Hofkäserei aus Milch der eigenen rund 50 Kühe nicht nur Käse her. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Gabriella Coronelli, Schaffhausen24