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Gesellschaft
29.08.2022

Einfach mal jemand anderes sein

Céline Schöller sucht die Kostüme je nach konkretem Bedürfnis fachmännisch aus.
Céline Schöller sucht die Kostüme je nach konkretem Bedürfnis fachmännisch aus. Bild: Daniel Lehmann, Schaffhausen24
Im September 2018 eröffnete Céline Schöller einen Kostümverleih. Nach gutem Start folgte Corona mit Lockdowns und wurde zur Existenzfrage. Heute scheint sich das Durchhalten der Jungunternehmerin gelohnt zu haben.

Ausserhalb des Städtchens Eglisau und unweit vom Bahnhof Hüntwangen-Wil findet man im Erdgeschoss eines neueren Bürogebäudes die Verkleiderei. In den grossen und hellen Ladenräumlichkeiten hängen rund 12 000 Kostüme aus allen Zeitepochen, die gemietet werden können. In der Mitte des Ladenlokals befindet sich ein bequemes Sofa. Hier sitzt an einem heissen Sommertag die zierliche Jungunternehmerin Céline Schöller auf einem Holzhocker und streicht sich die Haare zurecht. «Ans Aufhören habe ich auch während den langen Lockdowns nie gedacht», sagt sie. 

Kostümverleih findet Anklang

Céline Schöller führt ihr Geschäft seit 2018. Die Idee, historisch-nostalgische Kostüme zu verleihen, spricht viele Leute an. Das Geschäft habe sich von Anfang an gut entwickelt. «Immer mehr geben Veranstalter von privaten und öffentlichen Anlässen ein Motto vor, zu welchem sich die Gäste entsprechend verkleiden müssen», sagt die Ladeninhaberin. Neben privaten Personen und Theatergruppen würden aber auch immer mehr Film- und Fotografie-Teams etwa für Werbeproduktionen zu ihrer Kundschaft gehören. 

Corona stellt Existenz in Frage

Der positive Start des Kostümverleihs findet allerdings im März 2020 mit den Corona-Massnahmen ein abruptes Ende. Durch die staatlich verordnete Schliessung des Ladens und das weitgehende Verbot aller privaten und öffentlichen Anlässe wird die Geschäftstätigkeit während Monaten unterbrochen. «Von einem Tag auf den anderen brachen sämtliche Einkünfte weg, während die Betriebskosten weiterliefen», sagt Céline Schöller. Zwar habe der Vermieter des Ladenlokals während zwei Monaten der Schliessung die Miete reduziert und etwas verzögert habe sie vom Staat einen kleinen Erwerbsausfall erhalten. Damit habe sie jedoch nur knapp die Geschäftsmiete bezahlen können. «Ich sass während des Lockdowns wochenlang alleine im geschlossenen Ladenlokal und habe hochwertige Corona-Stoffmasken entwickelt und etwa 1 000 Stück davon hergestellt. Diese konnte ich online gut verkaufen», sagt Céline Schöller heute. Damit habe sie ihren Betrieb am Leben erhalten. Und dennoch: Aufgeben war für sie auch während dieser kritischen Phase nie ein Thema. «Ich erlebe jeden Tag, wie gerne sich die Leute verkleiden und Lust darauf haben, in eine andere Welt einzutauchen», hält sie fest. Sich für einen Abend in einer anderen Rolle zu bewegen sei so gefragt, weil es die Stimmung an einem Anlass sehr positiv beeinflusse. 

Eine Auswahl aus 12 000 Kleidern und Accessoires hat die Kundschaft in der Verkleiderei. Bild: Daniel Lehmann, Schaffhausen24

Durchhalten hat sich gelohnt

Seit Mai 2022 hat sich die Lage bei Céline Schöller normalisiert und ihr Geschäft läuft wieder. Auch in Zukunft will sie am Verleih von qualitativ hochwertigen Kostümen festhalten. «Es gibt heute im Online-Handel billige Kostüme, trotzdem bevorzugen es viele, sich in der Verkleiderei einzudecken», sagt die junge Unternehmerin und ergänzt: «Nur schon der Besuch hier ist für manchen ein Abenteuer, da man sich in dem grossen Sortiment an Kleidern, Hüten und Requisiten ausprobieren kann. Das fehlt im Online-Geschäft». Dazu gehört bei ihr auch eine sorgfältige Beratung. Etwa bei historischen Einkleidungen sei das Material der Kleider und Accessoires von grosser Bedeutung und mache das Kostüm authentisch. Auch kleinere individuell gewünschte Anpassungen gehören dazu. Als ausgebildete Bekleidungsgestalterin, Theaterschneiderin und Gestalterin im Handwerk hat sie dazu auch das nötige Fachwissen.

Erweiterung der Geschäftstätigkeit

Die Unternehmerin ist daran, ihren Kostümverleih auszubauen. Sie will ihre lange gehegte Idee umsetzen, selber Erlebnis-Zeitreisen für Gruppen anzubieten. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat sie gemacht. So hat sie im Rahmen des Ferienpasses 2021 der Gemeinde Eglisau eine eintägige Erlebnis-Zeitreise in Form einer Piratenschatzsuche organisiert. Ein analoger Anlass ist auch für die diesjährigen Herbstferien vorgesehen. Nach und nach sollen weitere Anlässe, eventuell auch für Erwachsene, angeboten werden.

Céline Schöller ist es wichtig, eine nachhaltige Dienstleistung anzubieten. «Auch wenn mit dem Verkauf von billigen Kostümen mehr zu verdienen wäre, bleibe ich beim Verleih, damit die Kleider immer wieder und zu günstigen Preisen genutzt werden können», sagt sie. 

Man sieht es der jungen Unternehmerin an – sie führt ihr Geschäft mit viel Herzblut und sie wird auch in Zukunft dem einen oder anderen eine neue Identität verleihen, wenn auch nur vorübergehend.

Daniel Lehmann, Schaffhausen24