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Kultur
15.08.2022

Der vorgebliche Bösewicht wollte doch nur Gutes tun

Mister X (Stefan Kollmuss) tut sich schwer, bei seinem Chef, Mister U (Manfred Heinrich), den Ferienantrag zu stellen.
Mister X (Stefan Kollmuss) tut sich schwer, bei seinem Chef, Mister U (Manfred Heinrich), den Ferienantrag zu stellen. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Die teuflische Kurzgeschichte «Mister X macht Ferien» wurde in den vergangenen zwei Wochen in der Bachturnhalle göttlich uraufgeführt.

Die ursprünglich 19-seitige fragmentarische Kurzgeschichte von Friedrich Dürrenmatt «Mister X macht Ferien» wurde in den vergangenen zwei Wochen zehnmal im voll besetzten Saal der BachTurnHalle Schaffhausen zum Besten gegeben. Beeindruckendes Schauspiel, passend eingesetzte Musiktitel sowie die stimmige visuelle Bildunterstützung sorgten Abend für Abend für anregende Unterhaltung. «Mister X macht Ferien» ist bereits das vierte Werk Friedrich Dürrenmatts, welches Regisseur Damir Zizek mit dem Ensemble des Schaffhauser Theaterspektakels, kurz SHpektakel, aufführte. Obschon die Veröffentlichung der Kurzgeschichte über vier Jahrzehnte zurückliegt, spiegelt sie in einigen Szenen aktuelle Weltgeschehnisse wider. Damir Zizek verstand es, durch seine Anpassungen das Stück in eine mitreissende Bühnenversion zu verwandeln.

Auf Teufel komm raus

Es ist ohne grosse Erklärungen schnell erraten. Bei Mister X – mit dem schwarzen Frack, den roten Hosen und den zu Hörnern frisierten Haaren – handelt es sich um den Teufel. Dann kann Mister U, komplett in weiss gekleidet, niemand anderes als Gott sein.

Mister X (Stefan Kollmuss) verfolgt einen göttlichen Plan und beantragt bei seinem Chef, Mister U (Manfred Heinrich), zum ersten Mal Ferien. Nach 6000 Jahren harter und zuverlässiger Arbeit in brütender Hitze würde dem vermeintlichen Bösewicht eine dreiwöchige Auszeit guttun. Schliesslich gebe es mittlerweile auch passend zu seiner Situation dieses neue Wort: Burnout. Dieses Wortspiel sollte nicht die einzige Zweideutigkeit im weiteren Verlauf des rund einstündigen Stückes bleiben.

Polaritätsgesetz Gut und Böse

Es fällt Mister X schwer, dem Chef den wahren Grund seiner Ferienwünsche mitzuteilen. Als Mister U dennoch wissen will, warum er nach so langer Betriebszugehörigkeit Ferien in Anspruch nehmen möchte, teilt ihm der Teufel mit, dass er die Zeit benötige, um Gutes zu tun. Erstaunt und neugierig zugleich versucht der Chef genauere Informationen bei Mister X herauszukitzeln. Der vermeintliche Bösewicht lässt die Katze aus dem Sack: Mister X will das Zäzilienstiftchen besuchen, welchem er heimlich – getarnt als reicher Gutsherr Soederbloem – seit langer Zeit hohe Geldsummen zukommen lässt. Mister U gibt schlussendlich grünes Licht für die dreiwöchige Auszeit seines treuen Mitarbeiters. Beim Klosterstiftchen handelt es sich, seiner Meinung nach, schliesslich um ein Kloster, dessen Nonnen noch als einzige seinen Geboten folgen.

Entschieden zu gut

Die Nonnen sollen brieflich über die Ankunft des Sponsors informiert werden. Doch bevor der Postbote den Brief an das Zäzilienstiftchen übergibt, wird er von Gangstern überfallen. Der Inhalt des Briefes bringt die Gangster dazu, bei Ankunft von Mr. X ebenfalls das Kloster aufzusuchen. 

Der vermeintliche Bösewicht Mister X ist mittlerweile im Kloster eingetroffen, wo er grosszügig Geschenke an die Nonnen verteilt. Schliesslich folgt er seiner Mission, auf seiner Reise nur Gutes tun zu wollen, konsequent. Kurz darauf treffen auch die Gangster ein. Plötzlich verwandeln sich die sonst frommen Nonnen, dank der Geschenke von Mr. X, zu tanzenden Go-go-Girls. Die mittlerweile aufgeknöpften Habite zeigen die Klosterfrauen in aufreizender Unterwäsche. Das Kloster mutiert zu einem Club. Gangster, Nonnen und Polizisten schwingen das Tanzbein und feiern ausgelassen. Mister X scheint sich mit der Mutter Oberin ebenfalls zu amüsieren. Das ist selbst für den Chef, Mister U, der das ganze Geschehen von oben genau beobachtet, entschieden zu viel der guten Taten. Er bricht die Ferien von Mister X ab und verordnet allen die Rückkehr in ihre ursprünglichen Rollen. Doch bei einem Paar scheint der Befehl nicht zu funktionieren: Ein Gangster und eine Nonne halten an ihren Verwandlungen fest und laufen gemeinsam dem Sonnenuntergang entgegen. 

Gabriella Coronelli, Schaffhausen24