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Gesundheit
04.07.2022

Ehe für alle in einer katholischen Kirche

«Ob schwul, lesbisch, non-binär oder trans – endlich haben alle Menschen, die sich lieben, die gleichen Möglichkeiten», so Alois Carnier über die Ausweitung des Ehesakraments in der christkatholischen Landeskirche der Schweiz.
«Ob schwul, lesbisch, non-binär oder trans – endlich haben alle Menschen, die sich lieben, die gleichen Möglichkeiten», so Alois Carnier über die Ausweitung des Ehesakraments in der christkatholischen Landeskirche der Schweiz. Bild: Lara Gansser, Schaffhausen24
Gleichgeschlechtliche Paare können seit dem 1. Juli heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Zeitgleich führt die christkatholische Landeskirche das Ehesakrament für alle ein. Ein Gespräch mit Präsident Alois Carnier.

Am 1. Juli trat das vom Stimmvolk deutlich angenommene Gesetz zur «Ehe für alle» in Kraft. Seit vergangenem Freitag können somit auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Zeitgleich führte auch die christkatholische Kirche in der Schweiz das Ehesakrament für alle ein. «Mit der Annahme der ‹Ehe für alle› stellte sich für die Landeskirchen die Frage, ob sie diese zivilrechtliche Neuerung für ihr Eheverständnis übernehmen und ihre Rituale entsprechend anpassen», so Alois Carnier im Gespräch mit dem «Bock». Der 56-jährige Schaffhauser ist Präsident der christkatholischen Kirchgemeinde Schaffhausen/Thurgau West und lebte – bis zum 1. Juli – in einer eingetragenen Partnerschaft. Am Freitag wandelten er und sein Partner Peter Leu diese mit der Heirat auf dem Standesamt in eine Ehe um. «Meine Freude darüber ist riesig. Für uns ist diese offizielle Eheschliessung sozusagen ein Upgrade.»

Gleiche Möglichkeiten für alle

Dass eine katholische Kirche die Eheschliessung für alle einführt, ist das Resultat eines längeren Prozesses. 2018 sei das Thema von der christkatholischen Jugend angeregt worden, erstmals im Rahmen der Nationalsynode darüber diskutiert wurde im Juli 2021. Mit nur einer Gegenstimme wurde am 11. Juni dieses Jahres nun endgültig entschieden, das Ehesakrament für alle einzuführen. «Mir persönlich bedeutet das sehr viel. Man ist nicht mehr anders», so Alois Carnier und ergänzt: «Ob schwul, lesbisch, non-binär oder trans – endlich haben alle Menschen, die sich lieben, die gleichen Möglichkeiten.»

«Das war jedes Mal ein Outing für mich»
Alois Carnier über den Zivilstand «eingetragene Partnerschaft»

Was Alois Carnier, der hauptberuflich als Informatiker tätig ist, bedauert: Viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser würden die christkatholische Kirche gar nicht kennen. «Wir sind eine zeitgemässe katholische Kirche, in der alle Ämter demokratisch besetzt werden – fehlbar sein ist unser Grundprinzip», so der Kirchenpräsident. Er spreche auch gerne von einer offenen, inklusiven, diversen katholischen Kirche – überspitzt gesagt also eine moderne katholische Kirche. «Geistliche dürfen heiraten und auch Geschiedene haben die Möglichkeit auf eine erneute kirchliche Heirat. Gleichgeschlechtlich liebende Menschen sind bei uns ebenso willkommen wie alle anderen.» Rund 18 000 Mitglieder zählt die Landeskirche in der Schweiz, davon rund 200 in Schaffhausen und Thurgau West. «Die sexuelle Orientierung ist nur ein Aspekt des ganzen Menschen. Bei uns darf jede und jeder so sein, wie er oder sie ist», erzählt Alois Carnier über die Willkommenskultur, welche die Kirche pflege. 

Das Zivilstandsamt Schaffhausen erlebte keinen «Run»: Per 1. Juli waren von gleichgeschlechtlichen Paaren zwar 15 Umwandlungen von eingetragenen Partnerschaften, aber noch keine Eheanträge gemeldet. Dass Alois Carnier und Peter Leu sich direkt am 1. Juli das Ja-Wort gaben, komme nicht von irgendwo her. «Wir haben uns so für dieses Gesetz ins Zeug gelegt, da mussten wir ja fast den erstmöglichen Tag wählen», so der Schaffhauser schmunzelnd. Eine grosse, kirchliche Hochzeit werde dann im Sommer 2023 gefeiert. Der Kirchenpräsident setzte sich, zusammen mit seinem Mann, während dem Abstimmungskampf 2021 stark für eine Annahme der «Ehe für alle» ein und war unter anderem an der Velo Pride durch den Kanton beteiligt. «Neben meinem privaten Engagement organisierte ich in meiner Rolle als Kirchenvertreter eine religiöse Feier zur Liebe», erinnert sich der Schaffhauser. Auch die reformierte Kirche nahm daran teil.

Liebe ist Liebe

Was ändert sich für Paare mit der Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in die Ehe nun konkret? «Erstens die Regelung bezüglich Güterstand», erklärt Alois Carnier. Ausserdem galt es für ihn bis anhin, den Zivilstand «eingetragene Partnerschaft» anzugeben. «Das war also jedes Mal ein Outing. Ab sofort kreuze auch ich ‹verheiratet› an und es interessiert niemanden, ob ich schwul oder heterosexuell bin.» Noch grösser sei der Schritt für die Frauen, da auch endlich lesbische Paare Zugang zur Fruchtbarkeitsmedizin haben. Aber für viele sei die Änderung vor allem als Zeichen der Gleichberechtigung wichtig: «Zwei sich liebende Menschen haben nun unabhängig vom Geschlecht die Möglichkeit, eine Ehe einzugehen, und werden gleich behandelt.»

Seit dem 1. Juli können gleichgeschlechtliche Paare heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. (Symbolbild) Bild: pexels.com
Lara Gansser, Schaffhausen24