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Kultur
27.06.2022

Das Museum Diessenhofen geht auf Tuchfühlung

Christine Kolitzus (l.) und Lucia Angela Cavegn teilen sich die Leidenschaft für die im Museum Diessenhofen ausgestellten Zeugdruck-Entwürfe.
Christine Kolitzus (l.) und Lucia Angela Cavegn teilen sich die Leidenschaft für die im Museum Diessenhofen ausgestellten Zeugdruck-Entwürfe. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Das Museum kunst + wissen in Diessenhofen feiert dieses Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Das ehemalige Stoffdruckereimuseum hat sich anlässlich dieses Ereignisses mit der Ausstellung «Auf Tuchfühlung mit dem Kulturerbe» eine aussergewöhnliche Exposition ausgedacht.

Im Oberen Amtshaus in Diessenhofen befindet sich – mit auffälligem Treppenturm und Blick auf den Rhein – das auf drei Ebenen verteilte Museum kunst + wissen. «Früher wurde die obere Etage als Schulzimmer für Handarbeitslektionen genutzt», erzählt die Museumsleiterin Lucia Angela Cavegn. Die Kunsthistorikerin wartete mit Christine Kolitzus-Hanhart auf die «Bock»-Reporterin. «Christine unterstützt mich mit ihren 80 Jahren tatkräftig bei den Museumsarbeiten. Sie ist Textilexpertin und hat bezüglich der aktuellen Rotfarb-Ausstellung ein enormes Wissen», erzählt Lucia Angela Cavegn. «Auf Tuchfühlung mit dem Kulturerbe» heisst die Ausstellung auf allen drei Etagen des Museums, die bis zum 18. September zu bestaunen ist.  

Früher Färberei, heute Museum

Das heute als Museum genutzte Gebäude fungierte Mitte des 19. Jahrhunderts als Produktionsstätte einer Stofffärberei und Druckerei. Anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Museums werden eine Vielzahl an Textilmusterzeichnungen, Dokumenten, Druckmodel und sehr gut erhaltene bedruckte Baumwolltücher ausgestellt. Christine Kolitzus erklärt die Vorgehensweise des Zeugdrucks: «Zuerst wurde ein Papierentwurf erstellt. Der Modelstecher fertigte dann anhand des Entwurfes ein Druckmodel an. Verwendet wurden dafür vorzugsweise sehr harte Holzarten. Als wir mit der Inventarisierung anfingen, haben wir über 1300 gut erhaltene Entwürfe gefunden». Dieser Fund sei eine Seltenheit, denn Papierentwürfe wurden nach Fertigstellung des Holzmodels in den meisten Fällen weggeworfen. Die Muster wurden dann auf die vorab rot gefärbten und stellenweise wieder gebleichten beziehungsweise geätzten Tücher farbig gedruckt, wobei jede Farbe ein separates Model verlangte. Die Rotfärbung der Baumwollstoffe wurde mittels zu Pulver zerriebener Krappwurzeln gewonnen. Zu jener Zeit wurde das Verfahren dieser Färbung als «Türkischrotfärberei» bezeichnet. Zu sehen sind figurative und ornamentale Muster, wie das Paisley-Muster, das ursprünglich aus dem Orient stammt.

«Wir wagen die Kombination aus historischen und zeitgenössischen Kunstformen»
Lucia Angela Cavegn, Direktion und Kuration Museum Diessenhofen, Kunsthistorikerin

Mischung aus Tradition und Moderne

Doch nicht nur Entwurfszeichnungen und Produktions-Utensilien sind zurzeit ausgestellt. Von der in Diessenhofen ansässigen Textildesignerin Andrea Buck findet sich auf der zweiten Etage die Intervention «Anziehend! Lauter rotes Zeug». Mit dieser Ausstellung greift sie in Anlehnung an die laufende Jubiläumsausstellung das Thema historische Stoffmuster und den damit verbundenen Prozess des Anziehens der Frauen auf. Ausgestellt sind diverse Fotografien von Pin-Up-Girls aus den 1920er-Jahren: Mithilfe einer Applikation werden die digitalen Fotocollagen auf dem eigenen Smartphone zu einem virtuellen Laufsteg. Die Fotografien werden so animiert, dass die Bekleidung der Frauen sich im schnellen Wechselmodus digital in moderne Schnitte und Kombinationen mit Mustern aus dem Museumsbestand verwandelt. «Mit der Ausstellung von Andrea Buck wagen wir die Kombination aus historischen und zeitgenössischen Kunstformen», berichtet Lucia Angela Cavegn. «Eine passendere Verbindung hätten wir nicht finden können. Mit den aktuellen Exponaten erhoffen wir uns, viele verschiedene Interessen abzudecken», so die vielseitige Kunsthistorikerin, welche vor rund zwei Jahren nicht nur die Leitung des Museums übernommen hat, sondern zusätzlich auch die Stelle der Kulturbeauftragten der Stadtgemeinde Diessenhofen innehat.

Gabriella Coronelli, Schaffhausen24