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Auto & Mobil
15.03.2022

Die Faszination Vespa

Seit Mitte der 1950er-Jahre ist die Vespa für viele Garant für Spass, Freiheit und Unbeschwertheit.
Seit Mitte der 1950er-Jahre ist die Vespa für viele Garant für Spass, Freiheit und Unbeschwertheit. Bild: zVg./ Francesco Lucidi
Was als pragmatische Entwicklung begann, wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu einem weltweiten Mythos. Die Vespa verkörpert heute die Italianità, nicht nur in Italien, sondern weltweit.

Sie hat kleine Räder, bestenfalls mittelmässige Bremsen und auch ihre Motorleistung war – oder vielmehr ist – im Vergleich zu anderen motorisierten Zweirädern nicht gerade berauschend. Die Rede ist vom italienischen Kultroller schlechthin: der Vespa. 

Mobilität zurückerlangen

Dieses Fahrzeug, welches unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges im toskanischen Pontedera von der Firma Piaggio unter der Leitung von Corradino D’Ascanio entwickelt wurde, hatte anfänglich eine weitgehend pragmatische Bedeutung. Mit der Vespa sollte die Bevölkerung des kriegsgebeutelten Italiens wieder einen gewissen Grad ihrer verloren gegangenen Mobilität zurückerlangen und so zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen. Dabei sollte das neue Fahrzeug mit dem bestehenden, beziehungsweise noch vorhandenen Maschinenpark hergestellt werden können und ehemaligen wie auch neuen Mitarbeitenden wieder ein geregeltes Einkommen sichern.

So hatte die Vespa trotz der eingangs erwähnten Defizite nämlich durchaus viele Vorteile. Das Design war damals wie heute aussergewöhnlich. Ihre elegante Form wirkte anziehend und sprach jene Leute an, welche ein Motorrad vielleicht als etwas zu ungestüm empfanden. Sie konnte aufgrund ihres Durchstiegs auch von Frauen in Röcken problemlos gefahren werden, die selbsttragende Karosserie schützte bei nasser Strasse die Kleidung vor Spritzwasser, die Technik war sehr einfach gehalten und daher – die übliche Wartung und Pflege vorausgesetzt – äusserst zuverlässig und der Verbrauch hielt sich in Grenzen. Weiter bot Piaggio die Vespa in einem attraktiven Paket bestehend aus Ratenkauf, einjähriger Garantie, kostenloser Pannenhilfe, kostenloser Diebstahlversicherung sowie kostenloser Zulassung an, was die Nachfrage neben dem ohnehin verhältnismässig günstigen Kaufpreis natürlich zusätzlich erhöhte. Nicht umsonst wurde die Vespa auch oft als das Auto des kleinen Manne

Weltweit wurden bisher rund 18 Millionen Vespas verkauft und für viele ist der Begriff längst zum Synonym für Motorroller geworden. Bild: zVg./ Francesco Lucidi

Mythos Vespa wird geboren

Als 1953 im Film «Vacanze Romane» (deutsch: «Ein Herz und eine Krone») mit Audrey Hepburn und Gregory Peck zwei Hollywoodstars auf einer Vespa die Strassen Roms unsicher machen und die Herzen der Zuschauer erobern, möchten plötzlich alle diese unbekümmerte Freiheit für sich entdecken, und Piaggio beginnt sodann die Vespa als Garant für Spass, Freiheit und Unbeschwertheit zu bewerben. Der Mythos Vespa wird geboren. Es entstehen die ersten Vespa Clubs, wovon es weltweit inzwischen unzählige gibt. Nicht mal ein Jahrzehnt später entsteht in England die Subkultur der Mods. Diese Jugendlichen aus der Arbeiterklasse, welche ihr knappes Einkommen für massgeschneiderte Anzüge im italienischen Stil und sonstige Markenkleidung ausgeben und mit auffällig aufgemotzten Vespas und Lambrettas unterwegs sind, unterstreichen ihren Lebensstil bewusst durch das Fahren eines Rollers. 1979 wird diese Subkultur im Film «Quadrophenia» einem breiten Publikum bekannt gemacht.

Doch mindestens so wichtig für den Bekanntheitsgrad der Vespa ist die Tatsache, dass es oft innerhalb der eigenen Familie Geschichten und Erlebnisse gibt, die mit diesem Kultroller verbunden sind. Viele von uns haben Familienmitglieder oder Bekannte, welche früher auf einer Vespa unter der Woche zur Arbeit und an den Wochenenden ins Grüne fuhren. Damit sind viele, meist schöne Erinnerungen und Momente verknüpft und die Faszination für dieses Fahrzeug liegt womöglich auch darin, diese Erinnerungen ein Stück weit wieder zu vergegenwärtigen. In Erinnerungen an eine Zeit zu schwelgen, in welcher es weniger hektisch zuging; einer Zeit, in welcher der Leistungsdruck nicht allgegenwärtig war.

Verkörperung der Italianità

Wer heutzutage eine Vespa fährt, tut dies in der Regel bewusst. Es ist der Wunsch nach Entschleunigung, nach diesem typischen, italienischen Lebensgefühl, nach Genuss, nach Freude und Geselligkeit und nach einem sorgenfreien Leben. Zumindest für einen Moment. Der Coffee to go weicht einem frisch zubereiteten Cappuccino, das Sandwich in der Kunststoffverpackung einer knusprigen Pizza aus dem Holzofen, der Energydrink einem guten Glas Rotwein. Somit ist die Vespa womöglich die vollkommenste Verkörperung der Italianità.

Seit Beginn wurden weltweit fast 18 Millionen Vespas verkauft und für viele ist der Begriff Vespa längst zum Synonym für Motorroller geworden. Alleine in der Schweiz gibt es fast 50 Vespa Clubs; jener in Schaffhausen wurde 2019 gegründet und zählt mittlerweile über 80 Mitglieder, von denen sich viele regelmässig treffen, um für ein paar Stunden gemeinsam die Dolce Vita in unserer schönen Region zu geniessen.

Schaffhausen24, Originalmeldung Alfredo Trevisan, Vespa Club SH