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Gesellschaft
21.02.2022

Endstation für die High Heels

Die Betriebsleiterin Andrea Müller mit den Rindern im Unterbuck in Thayngen. Die wissbegierige Unternehmerin sucht immer und überall nach weiterem Optimierungspotenzial.
Die Betriebsleiterin Andrea Müller mit den Rindern im Unterbuck in Thayngen. Die wissbegierige Unternehmerin sucht immer und überall nach weiterem Optimierungspotenzial. Bild: Gabriella Coronelli, Schaffhausen24
Wenn aus einer Verkaufsleiterin eines renommierten Modehauses eine erfolgreiche Bäuerin wird. Eine Veränderung mit überraschend vielen Parallelen.

Andrea Müller und ihr Ehemann Christian bewirtschaften in dritter Generation den Bauernhof Unterbuck in Thayngen. Die Schwerpunkte des Betriebes liegen im Anbau von Kartoffeln, Weizen und Mais sowie in der Mastrinderhaltung und nicht zuletzt auch im Erzeugen von Energie. «Mit unserem Kartoffelertrag könnten wir die ganze Stadt Schaffhausen versorgen», verrät Andrea Müller. Schon als Kind war die Kartoffelernte ein Ereignis, auf das sich die in Oerlikon aufgewachsene Bäuerin stets freute. «Mein Gotti und mein Götti betrieben einen Bauernhof», so die ursprünglich gelernte Maschinenzeichnerin. 

Von der Bäuerin zur Betriebsleiterin

Als sie vor vielen Jahren im Aprés-Ski einen jungen Bauern aus Thayngen, ihren heutigen Mann, traf, war für sie schnell klar, dass sie mehr über Landwirtschaft und die damit verbundenen betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge lernen wollte. Als sie sich für die Bäuerinnenschule anmeldete, kam diese Entscheidung für ihr Umfeld nicht überraschend. Ihr Interesse an der Landwirtschaft kam nicht erst, als sie sich in ihren heutigen Mann verliebte. 

Dem «Bock» offenbart Andrea Müller, dass die Bäuerinnenschule nicht ihrem Naturell entsprach. «Die inhaltlichen Lernziele dieser Ausbildung begrenzen sich fast nur auf Haushalt und Kochen und das ist so gar nicht meine Welt», erzählt die politisch engagierte Unternehmerin lächelnd. Sie koche zwar grundsätzlich nicht ungern, an einem Bauernhof interessiere sie sich aber vor allem für die betriebswirtschaftlichen Aspekte. Auch optisch passte Andrea Müller nicht in die damalige Frauengruppe. Da sie diese Weiterbildung berufsbegleitend absolvierte, kam sie entsprechend in Berufskleidung zum Unterricht. Also in Designerkleidung und High Heels, wie es sich für eine Verkaufsleiterin eines renommierten internationalen Modehauses im gehobenen Segment gehört. «Man bat mich, meine Stöckelschuhe auszuziehen und stattdessen Finken zu tragen», erinnert sich die Parteipräsidentin der SVP Schaffhausen, die nicht viel mit Hausschuhen anfangen konnte. 

Ihren Wissensdurst stillte sie – zumindest vorerst – mit dem darauffolgenden Lehrgang zur eidgenössisch diplomierten Bäuerin. Gemeinsam mit weiteren interessierten Landwirten befasste sich Andrea Müller mit den von ihr bevorzugten Themenkreisen wie der Betriebs- und Personalführung und dem Marketing. Bei der Ausbildung zur Betriebsleiterin war sie als weibliche Teilnehmerin eine Ausnahmeerscheinung. «Jährlich lassen sich schweizweit maximal zwei Frauen zur Betriebsleiterin ausbilden», so die engagierte Unternehmerin weiter.  

«Man bat mich, meine Stöckelschuhe durch Finken zu ersetzen»
Andrea Müller

Umsetzung der Theorie in die Praxis

Das theoretische angelernte Wissen konnte Andrea Müller im Unterbuck in die Praxis umsetzen: «Wir sind grosse Fans optimierter Wertschöpfungskreisläufe.» Auf dem Feld produzieren die Müllers nebst Kartoffeln auch Mais und Weizen. Mais wird ausschliesslich als Futter für ihre Rindermast verwendet. Die im Jahre 2013 in Betrieb genommene Biogasanlage werde täglich mit dem Mist und der Gülle der eigenen Tiere befüllt. Mit dieser Betriebsweiterung wolle die Bauernfamilie einen Beitrag zur regionalen und nachhaltigen Energieversorgung leisten. So entstehe aus den Ausscheidungen der Tiere nicht nur Strom und Abwärme, sondern nach einer gewissen Zeit auch hochwertiger Dünger, der wieder auf den Feldern lande. Und so schliesst sich dieser Kreislauf. Im Herbst 2021 erweiterte die innovative Familie ihren Hof mit einer Biogas-Tankstelle. Auch hier werde viel Wert auf optimierte Nachhaltigkeit gelegt. Die Biogas-Tankstelle gelte nicht nur der Selbstversorgung. «Unser eigener Treibstoffbedarf beträgt jährlich etwa 80 000 Liter», so die innovative Bäuerin, die selbst nicht gerne Traktor fährt, weiter. Der örtliche Kehrichtwagen lade die Bioabfälle direkt im Unterbuck ab. Aus diesen Abfällen werde dann Biogas produziert, das dem Fahrzeug wieder zugeführt werden könne. Die Kehrichtabfuhr werde somit CO2-neutral und auch dieser Kreislauf kann geschlossen werden. 

Ein sich ergänzendes Team

Die Stärke der Müllers läge an den gemeinsamen Träumen und Visionen. Sie agierten stets als Team und ergänzten sich ideal. Und auch wenn die Familie gefühlt nie Feierabend hätte, kämen auch gemeinsame Freizeitaktivitäten nicht zu kurz. So feuert das Ehepaar Müller, wann immer möglich, seine Kinder beim Sport an. Silas Müller geht bei den Junioren der Kadetten Schaffhausen seiner Leidenschaft nach und Emma ist im Armbrustschiessverein. 

Auf die Frage hin, ob sich die geschäftige Bäuerin wünsche, dass eines ihrer drei Kinder zukünftig den Hof übernehme, antwortet der fürsorgliche Teil in ihr: «Ich wünsche mir, dass unsere Kinder glücklich mit dem gewählten Beruf werden. Wenn sie mit der Übernahme des Hofes glücklich werden, dann ist das der Optimalfall». 

Gabriella Coronelli, Schaffhausen24