Gabriella Coronelli: Ich bin in Thayngen aufgewachsen und hier habe ich entsprechend auch meine Kindheit und Schulzeit verbracht. Nach meiner KV-Lehre dachte ich, dass Thayngen wohl das langweiligste Dorf auf Erden ist. Ein Kaff halt, wo sich, wenn überhaupt, doch nur die «Alten» wohlfühlen. Jungen Erwachsenen – das stand für mich ausser Diskussion – hat Thayngen nichts zu bieten. Und so zog es mich in die Westschweiz, um meine Französischkenntnisse zu vertiefen und um am echten Stadtleben teilzunehmen. Danach folgten Abstecher ins Baselbiet und ins Berner Oberland. Und irgendwann nach wenigen Jahren kam ein für mich unbekanntes Gefühl auf. Heute kann ich dieses Gefühl genau benennen: Es war Heimweh. Also brach ich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion meine Zelte ab und kam zurück nach Hause. Nach Thayngen. In mein Kaff, wo ich bis heute lebe und wo es alles andere als langweilig ist.
Was schätzen Sie an der Region am meisten?
Coronelli: Es ist für mich ein grosses Glück, dass ich vor meiner Haustüre alles finde, was mich glücklich macht. Eine intakte Natur, rauschende Gewässer, einladende Wälder und vielfältige Möglichkeiten an Freizeitaktivitäten. Schaffhausen, mein Geburtsort, ist für manch einen «bloss e chliini Stadt». Für mich ist es einfach «mini Stadt». Nachdem ich aus beruflichen Gründen und über mehrere Jahre die grössten Städte dieser Welt besucht habe, lernte ich das einfache Dorfleben wieder lieben. Gossip heisst hier, dass man sich ganz spontan mit der Nachbarin über die neuesten Dorfgeschehnisse unterhält. Über den Gartenzaun und ganz ohne vorherige Terminabsprache. Einkaufen heisst im Dorfleben, dass man beim Bauern im Quartier die wichtigsten Lebensmittel einkauft. Den Pöstler kennt man beim Namen und die Nachbarn gehören zur erweiterten Familie. Vor allem schätze ich jedoch genau den Dorfgeist, den ich als Jugendliche als abstossend empfand.
Was bedeutet für Sie «das grösste Glück»?
Coronelli: Die Analytikerin in mir greift auf die Glücksformel zurück: Glück gleich Erwartungen minus Realität. Im praktischen und gelebten Sinn finde ich in jeder noch so kleinen Gegebenheit Glück. Das grösste Glück für mich jedoch ist, dass ich frei bin. Frei in meiner Lebensgestaltung, frei in meinen Entscheidungen, oder wie es Astrid Lindgren auf den Punkt bringt: «Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen». (lg.)